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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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auch bei seinem Sohn
keiner, wie der mit Vornamen heißt. Paul geht auf ihn zu und sagt hallo, ich
bleibe einen halben Schritt hinter ihm, fast hinter seinem Rücken, der zu
schmal ist, um ein Versteck zu bieten, einen Schild. Das passiert nicht
wirklich, das passiert doch nicht wirklich, die Mädchen beäugen mich
misstrauisch und kichern. Ecki grinst an Paul vorbei mich an und zieht dabei
die Augenbrauen hoch, ein Clownsgesicht, denke ich. Ich hasse Clowns. »Klon«
haben wir früher gesagt, und daran musste ich denken, als das Wort in Bio zum
ersten Mal auftauchte und sich die Unheimlichkeit der einen mit der der anderen
Existenzform zu vermischen begann. Zunächst färbte der >Clown< auf den
>Klon< ab, den ich mir fortan als böse lachenden, hohlen Doppelgänger
dachte. Dann gewann der >Klon< die Oberhand und ließ mir alle Clowns der
Welt als Produkte einer ungeheuren Vervielfältigung erscheinen, denn sind sie
nicht wirklich alle gleich mit ihrer Schminke, hinter der sich wer weiß was
verbirgt, mit ihrem mechanischen Lachen und den dürftigen Späßchen, die sich
allesamt wie eine Tarnung, eine Ablenkung von etwas dahinter Lauerndem
ausnehmen? Vielleicht ist Ecki ein Klon. Nicht nur der nicht weit vom Stamm
gefallene Apfel. Sondern mit Stumpf und Stiel eine verjüngte Kopie des schon
verrottenden Ausgangsapfels. Vielleicht sind sie das alle hier. Vielleicht ist
es das. Was gerade nur einen unförmigen Gedanken durch meinen Kopf jagt: Ich
muss hier weg. Scheiße, es ist alles genau so, wie ich dachte, aber ich kann
doch einfach gehen, oder nicht, warum gehe ich nicht. Wegen Paul? Romy, du hast
ne Macke.
    Paul setzt sich auf eine alte
Decke neben Ecki, neben den Häuptling, denke ich und muss kurz schmunzeln. Mir
wird ebenfalls Platz gemacht, »eh, rutsch ma«, sagt das Mädchen neben Paul zu
ihrer stämmigen Nachbarin und stößt sie dabei mit dem Ellenbogen in die Rippen;
die sagt »au!« und schielt zu mir hoch, bevor sie ihren Hintern ein winziges
Stück zur Seite schiebt. Die andere versucht es mit mehreren dumpfen Hopsern,
womit es ihr gelingt, die Dicke noch ein wenig weiter zu drängen und endlich
eine Lücke frei wird, in die ich hineinpasse, geradeso. Die Hopserin guckt mich
kurz an, »geht't?«, fragt sie zu laut, ich nicke. Mit den angezogenen Armen auf
den angezogenen Beinen »geht't«. Sie heißt Sabrina Rütz, so viel weiß ich, hin und
wieder läuft sie mir über den Weg, manchmal grüßt sie, ein kurzes Piepsen,
manchmal nicht. Sie ist so zugeschminkt wie die anderen und dreht schon die
ganze Zeit an einer Haarsträhne, auf deren Ende sie gedankenlos rumkaut.
    »Eh, Rützer, haste Hunger, oder
wat?«, ruft ein verpickelter Typ ihr zu und lacht, die Meute stimmt ein.
    »Halt die Klappe, Hoschü«,
sagt Sabrina und lässt die Strähne los.
    Ein Joint wird rumgereicht,
ich gucke zu, wie er zwischen den dreckigen Fingernägeln jedes Einzelnen
aufglimmt. »Reicht jetzt, Börner, wolln auch noch andre wat von«, grunzt einer
seinen vor sich hinstierenden Nebenmann an und wirft einen Blick zu Paul und
mir rüber. »Oder?«
    Paul lächelt, ich traue mich
nicht, mit dem Kopf zu schütteln, um keine Grundsatzdiskussion über
Haschischkonsum heraufzubeschwören. Beziehungsweise darüber, warum ich
überhaupt nichts dagegen habe, aber überhaupt nicht will. Das kommt selbst mir
im Moment ein bisschen zu komplex vor. Ich hoffe, dass das Ding aufgeraucht
ist, bevor ich dran bin. Der, der Börner genannt wurde, zieht noch einmal
schnell und trennt sich dann von dem Jointrest, ohne seinen Kopf auch nur einen
Zentimeter aus der einmal einjustierten Stierrichtung zu bewegen, nur sein
Unterarm schwenkt kurz zur Seite. Plötzlich geht mir ein Licht auf. Burner.
Nennen sie ihn deshalb so? Weil er mehr als alle anderen von dem Zeug
verbrennt? Das ist ja geradezu - originell. Dann fällt mir wieder ein, dass er
wirklich so heißt. Dass er zu »die Börners« gehört. Romy, was ist denn bloß los?
    Mir fällt auf, dass keiner von
denen versucht, beim Rauchen irgendwie cool auszusehen, wie die meisten bei uns
in der Pause auf der Raucherinsel. Hat man erst mal mit Eintritt in die Elfte
das Privileg erworben, sich dort hinbegeben zu dürfen und nicht mehr heimlich
auf dem Klo rauchen zu müssen, wo es ja kaum einer sieht, würde man sich
natürlich lieber selbst entleiben, als zuzugeben, dass die Coolness eigentlich
nicht besonders gut schmeckt, oder gar zu husten oder irgendwas hinterherzutrinken,
weils vielleicht erst

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