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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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dat hier nich wolln, die denken denn ja, ick ... ick will wat
Bessres sein.« Sie heult ganz unvermittelt los, damit habe ich nicht gerechnet.
    »Denn geh doch, Heulsuse!«,
ruft Ecki.
    »Mann, lass sie in Ruhe, du
Arsch!«, sagt Anne auf einmal. »Bist ja bloß neidisch!«
    Und Ecki sagt nichts.
    Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich merke,
dass ich sie nicht trösten kann, weiß auch gar nicht, ob das nötig ist. Schließlich
fördere ich einen Satz zutage, der mir selbst nicht besonders hilfreich
vorkommt: »Du kannst nicht wissen, wie es ist, bevor du nicht da warst.«
    Sabrina sieht mich an. So
schnell, wie sie zu weinen anfing, hat sie auch wieder aufgehört. Wie macht sie
das? Sie sieht mich nur an, nichts weiter.
    Plötzlich merke ich, dass Paul
neben mir steht. »Ich denke, ich muss gehen jetzt«, sagt er. In die Runde. Zu
mir nichts. Ich warte, aber es kommt nichts. Sowieso, denke ich, sowieso läuft
das hier alles doch schon wieder völlig falsch. Ich wollte längst aufgestanden
sein. Ich wollte sagen, ich gehe. Und
bloß wegen Sabrina Rütz. Ist mir doch egal, ob sie in ihrer Dorfschule versauert.
Aber ich muss jetzt wieder folgsames
Herdentier spielen und sagen, warte, ich komm mit. Aber da habe ich doch auf
einmal so einen ganz schlechten Geschmack auf der Zunge, der direkt aus der
Kehle kommt und kein einziges Wort passieren lässt. Ich stehe auf. Die Angst,
dass er sich einfach umdreht und geht. Dumme Angst. Ich will ihm nicht
hinterherlaufen. Ich will nicht, dass sie es sehen.
    »Also, tschüß denn«, sage ich,
und Paul: »See you.«
    »Jo - tschüß denn«, ruft Ecki,
ein bisschen überrumpelt. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist alles ganz
normal, wie immer, und wenn ich mich jetzt umdrehte, sähe es vielleicht so aus,
als wären wir nie dagewesen.
    Als wir draußen sind, bleibt
Paul plötzlich stehen und legt mir von hinten seine Hand auf die Schulter:
»Romy?«
    Ich könnte auf der Stelle
losheulen. Aber ich wende das optimierte Sabrina-Prinzip an. Ich höre auf,
bevor ich überhaupt angefangen habe.
    »Was ist?« Meine Stimme klingt
so dünn wie das Seil, auf dem sie balanciert.
    »Nimmst du mich mit - ich
mein, wenn du wieder gehst Hasen jagen?«
    Ich lache, es bricht nur so
aus mir raus, es spült den schlechten Geschmack einfach weg, Paul und ich
lachen, ich lache und lache, um nicht zu heulen, aber ich heule, aber es ist
dunkel.
    Paul fragt: »Und? Hast du noch
Angst?«
    »Angst?«, frage ich. Welche
Angst. Welche Angst?
»Wovor?«
    »Vor sie.«
    Ich weiß, dass er lächelt.
»Vor ihnen«, sage ich
ärgerlich.
    Wir warten. Aufeinander.
Schließlich fragt Paul: »Soll ich dich nach Hause bringen?«
    Ich unterdrücke jeden
euphorischen Aufruhr an meinen Synapsen, denke: Deutsch-Konversationskurs für
Anfänger, und sage: »Danke, nicht nötig.« Ein Rest bleibt immer.
    »Sicher?«
    »Ich habe keine Angst«, rufe
ich über die Schulter.
     
    ELLA
     
    Muss ich jetzt hingehen? Ich
hab Paul gefragt, ob er mal hingeht, ich hab mich nicht getraut zu fragen, ob
wir zusammen gehen wollen. Er hat gesagt, ja, mal sehen, hörte sich nicht so
an, als wenn er unbedingt will. Aber er muss doch wissen, was los ist, ich
mein, das kann doch nur wegen gestern Abend sein. Aber er hat nix gesagt. Ich
hab auch nicht gefragt. Als Romy heut Morgen nicht zum Bus kam, hat er bloß mit
den Schultern gezuckt und gesagt: »Vielleicht sie ist krank.«
    Sie ist krank? Glaub ich
nicht. So auf einmal? Weiß ich nicht, ob sie das kann. Ich könnt das eins a
früher, einen auf krank machen. »Markieren«, wie Vati immer gesagt hat. »Nu
markier ma hier nich rum.« Aber Schiss hat er doch gehabt, wenn das
Fieberthermometer auf neundunddreißig acht stand. Könnt er ja nicht ahnen, dass
ich den Trick von Thorsten hatte. Das mit dem Reiben an der Wollsocke, das hat
funktioniert. Da war ich von alleine nie draufgekommen. Auch, als sie uns das
in Physik später mit der Reibung und der ganzen Energie erklärt haben, war ich
da nicht draufgekommen. Das war mein Glück. Manchmal ist das nämlich gar nicht
so verkehrt, bisschen schwer von Kapee zu sein. Weil, Vati hätt doch nie im
Leben vermutet, dass seine doofe Tochter sich so was ausdenkt. Der hat doch
immer gedacht, er kann mir ins Gehirn gucken, »ich weiß, was da drin vorgeht,
nich dat du denkst«, hat er gesagt und mir dabei an den Schädel gekloppt, und:
»nich grade viel nämlich«. Aber so doof war ich nun auch wieder nicht. Das hab
ich nie geglaubt. Gab ja

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