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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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hab und meine Finger kurz an seine gekommen sind, hab ich gedacht,
dass er vielleicht grad vorher aufm Klo war. Die Zeitung hab ich im Essenraum
liegen lassen.
    Bei Paul kann ich nicht mal
>Schwanz< denken. Erst gings nicht, weil er so anders war, so fremd, das hat mich wohl irgendwie
abgelenkt. Und jetzt auch nicht mehr. Vielleicht ist das dann weg, wenn man
sich kennenlernt. Anfreundet. Sind wir jetzt eigentlich Freunde? Ich mein,
alle? Oder ist das immer was anderes, zwischen Paul und mir, und mir und Romy
und Romy und Paul? Ob er irgendwas mit Romy gemacht hat? Er war heut den ganzen
Tag so komisch. Nicht direkt zu mir, was ich ja noch verstehen könnt. Mehr so
allgemein. In Bio, als Frau Waller ihn was gefragt hat, hat er bloß gesagt:
»Ich weiß nicht.« Und das hab sogar ich gewusst. Die Waller hat ganz enttäuscht
geguckt, weil sie nämlich scharf auf ihn ist, merkt doch jeder. Und denn nimmt
die auch glatt mich ran, weil, da war sie sich sicher, dass ich bestimmt keine
Ahnung hab und ihr toller Paul also nicht doof da steht. Was sollt ich machen? »Keine
Ahnung«, hab ich gesagt.
    Nachher, im Bus, hat er nicht
gefragt, ob wir uns heute treffen. Als wenn das ohne Romy sowieso nicht gehen
würde. Ist ja auch so. Ich hätte Schiss, dass mir gar nix einfällt, mit Paul
alleine. Dass wir dann beide bloß dasitzen und auf Romy warten.
    Manchmal möcht ich ihn
anfassen, einfach so. Weil er aussieht, als ob man ihn gar nicht anfassen
kann.
    Vielleicht will er noch mal
zur Elpe. Das kapier ich echt nicht. Kann sein, es ist anders für ihn.
Trotzdem. Ich dachte, er war anders.
    »Wasn das?«
    Mann! Immer wenns grad gar
nicht geht, kommt Vati angelatscht. Dabei wollt ich gleich wieder weg sein aus
der Küche, hab mir nur schnell n Glas Tomatensaft eingekippt.
    »Hey, Fräulein, ich red mit
dir! Was trinkst'n da?«
    Ach, leck mich doch. »Blut.«
    Ich bin schon halb an der Tür,
als Vati mich am Arm festhält.
    Der Saft plempert über. Ist
gar nicht zu sehen auf dem schwarzen Pullover. Ich würd am liebsten aua sagen,
sag ich aber nicht.
    »Nu spiel dich ma hier nich
auf. In letzter Zeit hältste dich ja wohl für wer weiß was, na, anscheinend
fürn Vampir. Kannste dich nich einmal wie n normaler Mensch benehmen?«
    »Nein.«
    »Und wieso nich?«
    »Na weil ich nich normal bin! Oder haste da neuerdings ne
andre Meinung zu?«
    »Wieso sollst du nich normal
sein? Du bist auch nix andres als wir! Du bist auch bloß meine Tochter!«
    Ich gucke ihm direkt in die
Augen. Genügt eigentlich schon. Als er blinzelt, tut er mir fast leid. Er lässt
los. »Ach ja?«, sage ich.
    Er sagt: »Ja, Ella«, aber da
hab ich die Tür schon zu.
    Das ist doch gelogen! Eine
Scheiß-Lüge ist das doch!
    Oben kipp ich den Tomatensaft
auf die Palme, die Mutti mir ins Zimmer gestellt hat. In meinem
Schreibtischfach ist keine einzige Zigarette mehr. Sind alle gestern Abend
draufgegangen. Also Treppe wieder runter und raus, erst mal raus. Ist mir egal,
ob mich einer sieht. Ist mir scheißegal, ob mich einer in diesen Winterbotten
sieht, ich hab jetzt keinen Nerv für Schnürsenkel.
    Es ist ganz schön hell
draußen. Ich weiß auch nicht, wieso, aber ich komm mir auf einmal wie
rausgeschmissen vor. Als war ich hier die ganze Zeit bloß als Gast oder so
gewesen, als würd ich jetzt auf ner völlig fremden Straße in ner völlig fremden
Gegend rumstehen. Ich mein, auf den ersten Blick sieht natürlich alles wie
immer aus, so, dass man schon gar nicht mehr hinguckt. Aber jetzt guck ich hin.
Und das hat alles irgendwie überhaupt nix mit mir zu tun.
    Dass das Ding nicht mehr
funktioniert, seh ich eigentlich schon von weitem. Ich geh trotzdem hin. Mit
dreizehn hab ich meine erste Schachtel Kippen aus diesem Automaten geholt. Ich
weiß noch, welche Marke, natürlich die falsche, die aber alle rauchen. Hat ein
halbes Jahr gedauert, bis die alle war. Nachher bin ich auch noch paarmal hin,
aber bloß im Dunkeln, mit Kapuze über, dass nicht einer noch was meinen Eltern
zu erzählen hat, oder einer von denen mich erkennt. Ist aber alles ewig her.
Heute würd ich mich das gar nicht mehr trauen, komischerweise. Hätt ich auch
nicht gedacht, dass das jetzt schon losgeht. Dass man sich manche Sachen jetzt
nicht mehr traut, wo man früher gar nicht drüber nachgedacht hat. Muss am
Nachdenken liegen. Bloß, wo kommt das her? Bei uns in der Familie hat doch nie einer
nachgedacht, höchstens mal Thorsten, und das war mir immer zu anstrengend.
    Die Markenschildchen

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