Zander, Judith
abgekapselt,
Friedhelm und ich. Wir machen nie was. Mit wem auch.
Und mein toller
Bibelgesprächskreis, mittwochs, alle zwei Wochen? Ja, das war vielleicht mal
gut, am Anfang. Aber die guten Leute sind alle weg. Die haben das da wohl auch
nicht ausgehalten, Maritas ewiges
»Ick-sag-euch-da-hat-er-mich-wieder-zu-halten-gehabt«, der Teufel nämlich. Ob
die das wirklich glaubt? Ich glaub, ja. Die hat sich sone richtige Dämonenwelt
gebastelt. Oder die haarsträubenden Dinger, die Helga immer loslässt, wenn wir
was zu einem Bibeltext sagen sollen, das ist nicht mitanzuhören. Neulich, das
war die Krönung, da wusste ich echt nicht, ob ich einfach nur lachen oder laut
Scheiße schreien soll: Die schwor Stein und Bein, dass wir Christen an einem
besonderen Merkmal zu erkennen seien, nämlich - oh nein, es ist wirklich zu
bescheuert - nämlich an einer Wölbung auf dem Kopf, Gott hätte uns mit so einer
Wölbung versehen! Und wie die sich dann alle gleich an ihren Kopf fassten! Na
ja, also echt, da kann man sich ja auch bloß an den Kopf fassen, aber die haben
alle ihren Kopf abgetastet, und dann fingen ein paar an zu lachen, ich auch,
noch nicht mal am lautesten, aber Helga funkelte mich ganz böse an, und
hinterher kam sie zu mir und grollte, dass sie das nicht vergessen wird, wie
ich sie so bloßstellen konnte! Wir können uns nicht besonders leiden, das steht
mal fest. Mir reichte schon, wie sie erzählte, dass sie mit ihrer alten
Mutter, seit die bei ihr wohnt, jetzt immer morgens eine Andacht macht, obwohl
die gar nicht will, »da war se bockig, aber ick setz dat durch!«. Und alle
nicken brav, und nur ich muss mal wieder der Quertreiber sein und den
Friede-Freude-Eierkuchen - na, Frieden stören. Sabine guckt mich denn an, als
war ich irgendwie außerirdisch, meistens sagt sie dann, so, als hätt ich sie
grade aus dem Schlummer geweckt, so gaaanz laaangsam: »Sooon-jaa! Wie maainst
du denn daas?« Und noch bevor ich antworten kann, springt Renate ein und legt
mir Worte in den Mund, auf die ich im Traum nicht kommen würd, und dann greift
sie fix zur Gitarre, und wir singen erst mal einen, schrumm-schrumm. Vielleicht
hätte nicht grade Arndts Frau den Kreis machen sollen. Ich mein, ja, sie ist
Katechetin. Aber all die Jahre Christenlehre, die sind nicht spurlos an ihr
vorbeigegangen, bloß dass sie zu ihren drei Akkorden nix dazugelernt hat. Und
in einem Tempo immer, man kommt kaum zum Luftholen. Ich weiß gar nicht, wie
Sabine das macht. Vielleicht singt sie nur jedes zweite Wort. Aber ich kann
doch jetzt nicht auch noch wegbleiben. Was soll ich denen denn sagen? Ihr seid
mir zu doof? »Mama, du musst dich doch nicht ständig rechtfertigen!« Muss ich
aber in Wirklichkeit doch. Oder wegziehen.
Wietmann, der Neue, auf den
hatt ich ja insgeheim sofort alle meine Hoffnungen gesetzt. Das hat mir gut
gefallen, wie er zu Ostern hier seinen Antrittsgottesdienst hielt. Da waren sie
alle erst mal baff. Wie er von der Auferstehung sprach und uns meinte. Wie
gleich das Erste in seinem Gebet war, dass Gott uns aus der Gewohnheit
rausreißen möge, aus der »Glaubenslangeweile«, genauso hat er das gesagt. Dass
wir nicht glauben sollen, wir hätten nun ein für alle Mal die Weisheit mit
Löffeln gefressen. Das hat er anders gesagt, anders als Arndt. Der war übrigens
gar nicht da, Renate auch nicht. Als ob sie nun Angst um ihr Haus haben.
Manchmal versteh ich die nicht. Versteht mich einer?
Versteht einer Wietmann? Ich
glaub, der ist denen hier viel zu - viel zu kompliziert, oder so. Wieso, wieso,
man kann doch nicht immer egaleweg im gleichen Trott weitermachen. Er hat
recht. Aber die können das.
Kann sein, ich hab einfach mal
wieder zu hohe Ansprüche. Vielleicht sollte ich das machen wie Dieter. Aber
Dieter macht mich verrückt. Dieter ist verrückt, hab ich öfter den Eindruck. Ich denk
manchmal, wenn da einer von außen draufgucken würd, der würd doch denken, wir
sind total beknattert. Wir Christen. Ich hab ja nix dagegen, dass er mir öfter
Hannah herbringt und das offenbar auch irgendwie als selbstverständlich
betrachtet, dass ich auf sie aufpasse, mich mit ihr beschäftige. Wenn sich
schon die eigene Mutter dazu nicht in der Lage sieht und Ruhe braucht, immer
nur Ruhe. Friedhelm und Romy geht das ziemlich auf die Nerven, und sie werfen
mir das auch vor: dass ich mehr für andere da bin, es immer andern mehr recht
machen will als meiner eigenen Familie. Aber was kann das Kind dafür. Aber das
ist das eine. Das
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