Zander, Judith
Dieter? Da sag noch einer, das war langweilig
hier. Aber das war beileibe noch nicht das Ende der Fahnenstange. Hätt ich das
geahnt. Ich hätt ihm gleich den Marsch blasen sollen.
Als ich den Nachmittag mit
Romy vom Einkaufen komm, stürzt uns Dieter entgegen. Man kann das nicht anders
nennen. Romy rollte auch wie immer gleich mit den Augen. Ich hätte sie
vorwarnen müssen. Aber anscheinend hatt ich das sofort wieder verdrängt. Ich
könnt bloß noch sagen, oh nee, und: »Sei freundlich.« Romy guckt mich an, aber
da war er auch schon bei ihr. Mich hat er gar nicht beachtet. Er hat ihr die
Hand entgegengestreckt, genau wie bei mir, aber Romy hatte an jedem Arm ne
Einkaufstüte hängen und machte gar keine Anstalten, die abzusetzen. Da hat er
seine Hand dann wieder fallen lassen und bloß gesagt: »Du bist ein Königskind,
benimm dich auch so!«
Ich hatte schon Angst, dass
sie lacht. Aber sie war wohl genauso verdattert wie ich, oder, nein, anders.
Zwar hat sie ihn auch bloß angeguckt, aber sie ist ja nun ein Stück größer als
ich. Zwar auch nicht größer als er, aber trotzdem, ich hätt schwören können,
dass das für einen Moment so aussah, als wenn sie auf ihn runterguckt.
Vielleicht kam ihm das auch so vor. Jedenfalls sagte er erst nix, und ich war
schon drauf und dran, zu Romy zu sagen: Du musst das jetzt auch sagen.
Aber dann fing er sich,
Dieter: »Du musst das jetzt auch zu mir sagen«, und griente Romy an.
Sie verzog keine Miene. Sie
sagte: »Muss ich?« Und hat ihn einfach da stehen lassen. Sie ist einfach an ihm
vorbeigegangen, und weil er nicht beiseitetrat, ist noch die eine Einkaufstüte
gegen sein Knie geschlenkert, da waren die Wasserflaschen drin.
»Tach, Dieter«, sag ich bloß.
Obwohl wir uns ja schon gesehen hatten, morgens.
Ich wollt ihr nun keine
Vorwürfe machen, Romy. Aber ich dachte, Friedhelm muss ich das vorher sagen,
das endet sonst in einem Fiasko, das gibt den totalen Knatsch. Gabs dann sowieso.
Aber da dacht ich noch, wenn Friedhelm das nun kurz und schmerzlos hinter sich
bringt und er uns dann alle durchhat, dann gibt er Ruhe. Als Friedhelm abends
kam, hab ich ihn schnell reingewinkt. »Du, ich muss dir was sagen ...«
Und prompt, beim Abendbrot,
klopft es. »Geh hin«, sag ich zu Friedhelm. War auch Dieter. Ich hab meine
Lauscher aufgesperrt. Dieter wollte wohl erst gar keine Missverständnisse mehr
aufkommen lassen.
»Pass auf, Friedhelm, ich sag
dir jetzt was, und du musst mir das denn wiedersagen.«
»Na gut«, sagt Friedhelm. Ich
hab ihn kaum gehört.
»Ja, aber du musst mir das
denn auch wirklich sagen, ne!«
Ich glaub, er wollte nett sein, Friedhelm. Aber da
hat ihm dass denn schon wieder gereicht.
»Nu schieß los!«
»Ja - ja. Du bist ein
Königskind, benimm dich auch so.« Und Friedhelm, wieder ganz leise: »Du bist
ein Königskind benimm dich auch so.«
»Na, also denn.« Tür zu.
»Musstest du auch seine Hand
nehmen?«, frag ich Friedhelm. »Wie? - Na, ganz zum Schluss, da hat er mir die
Hand gegeben, als er ging.«
Nächsten Nachmittag war ich im
Garten. Mit Hannah, die mir immerzu zwischen den Beeten rumsprang und mir unbedingt
»helfen« wollte. Ich versuch, ihr kleine Aufgaben zu geben, aber so komm ich
natürlich auch nicht voran. Dann hat Dieter sich endlich blicken lassen, und
ich denk, na, nu kann Papa sich kümmern. Ich geb ihm die Hand und sag: »Na,
Dieter«, und guck so auf Hannah, »hast du aber ne fleißige Tochter!« Reagiert
der gar nicht drauf. Lässt aber auch meine Hand nicht los. Ich guck ihn fragend
an.
»Du bist ein Königskind benimm
dich auch so!«, sagt er.
»Dieter«, sag ich, »das hast
du mir ja gestern schon gesagt. Aber wir wissen doch, dass wir Gottes Kinder
sind.«
Und als hätt er da nur drauf
gewartet: »Ja, genau - aber das kann man doch ma sagen, das is doch nix, wo man
sich - ich sag ma - nix, wo man drüber schweigen muss, ne!«
Ich hatt schon das Wort
>zerreden< auf der Zunge, aber ich wollt keine Diskussion anfangen, jetzt,
wo Hannah dabei war und große Ohren machte. Sie ist schon altklug genug
manchmal, ich glaub, sie schnappt so einiges auf. Ich wollt sie auch nicht in
so einen Konflikt bringen, sie hängt total an mir und logischerweise auch an
ihrem Papa, aber nachdem sie neulich mal, als sie bei mir in der Küche saß und
ihren Griespudding gelöffelt hat, plötzlich wie aus heiterm Himmel posaunte:
»Papa is so doof!«, und mit einem Nachdruck, also, da wusst ich, das ist jetzt
der Anfang. Der wird
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