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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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inzwischen besser als sie, trällere S he loves
you genauso
mit wie A cross the universe , natürlich nur, wenn wirklich
keiner da ist, und wenn ich Glück habe, kann ich einen Blick auf zwei Krebse in
Rückwärtsbewegung erhaschen, John und Paul, wie sie mir gerade zuzwinkern. Ich
hätte vier nehmen sollen, natürlich, für die F ab F our , aber ich wollte nicht
unverschämt sein. Ausverschämt, wie sie hier sagen.
    Das Telefon klingelt. Ich
sitze wahrscheinlich am dichtesten dran, aber ich gehe nicht ran, ich denke gar
nicht daran, und das ist auch nicht nötig. Es hat sich inzwischen so
eingeschliffen, dass immer Mama rangeht; sofern sie da ist, geht sie auf jeden
Fall ran, falls sie gerade nicht kann, ruft sie vom Klo oder aus der Badewanne
laut und panisch: »Nu geh doch mal einer ran!«, was dann immer einen mit Zögern
und Stöhnen verbundenen Ausnahmezustand hervorruft. Ist sie nicht da, geht
niemand ran mitunter, oder Papa und ich sagen so lange: »Geh du ran!« zueinander,
bis es aufgehört hat zu klingeln. Keiner von uns beiden hat Lust, Anrufe
entgegenzunehmen, die in neunzig Prozent aller Fälle für Mama sind und oft
lästiger Art obendrein. Ich lasse mich aber nicht gerne von mir wildfremden
Leuten belatschern, denen ich zuallermeist auch noch erst zu der Erkenntnis verhelfen
muss, dass ich nicht Frau Plötz bin und auch nicht Sonja, sondern »die
Tochter«. Die Tochter! Die Tochter scheut sich, ans Telefon zu gehen, um nicht
»die Tochter« sein zu müssen. Es ist nicht weniger nervig, als zuerst für die
Mutter gehalten zu werden: »Du hörst dich ja genau wie deine Mutter an!« Ich
hasse das, echt. Meine Mutter spricht zu Leuten über mich und nennt mich dabei
»die Tochter«! Die Gardine, die Waschmaschine. Ich habe sie mal gefragt, ob sie
nicht wenigstens >meine Tochter< sagen könnte. Sie hat sich sofort
einsichtig gezeigt, nur, beim übernächsten Mal musste ich wieder »die Tochter«
sein.
    Nun kommt zu der Tochter
abermals die Mutter und spricht: »Für dich!«
    Sie klingt beinah ein bisschen
schadenfroh, vielleicht auch nur froh, schwer zu sagen, allerdings nicht
verwundert. Ich bins jedenfalls. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, wer
mich anruft, noch nicht mal recht, dass mich jemand anruft. Ich bequeme mich
zum Telefon, das mit dem danebengelegten Hörer irgendwie verletzt wirkt,
verrenkt, seiner ursprünglichen Einheit schauerlich entfremdet, und nur eine
spiralige Sehne hält die beiden Teile noch zusammen. Wie eine abgerissene
Extremität hebe ich vorsichtig den Hörer auf, er ist noch warm, und etwas
Lebendiges rauscht in ihm, dazwischen plötzlich eine undeutliche Stimme:
»Willst du rüberkommen?«
    Es dauert einen Moment, bis
mir klar wird, dass es Ellas Stimme ist, die mich da zu ich weiß nicht was
einlädt, zu sich jedenfalls, und ich war noch nie bei ihr. Irgendwie ist mir
nicht ganz wohl dabei, was denkt die sich eigentlich: da redet man einmal mit
ihr, und schon belästigt sie einen - durchs Telefon kommen im Grunde nur
Belästigungen -, und offenbar mit dem höchst zweifelhaften Ansinnen, sich mit
mir - anzufreunden, oder was? Von ihrer Erklärung, so was soll es wohl sein,
kriege ich nur noch mit: »... und da haben wir eben gedacht, du könntest doch
auch, also, na ja, rüberkommen«, sie kichert ein bisschen. Ich komm da nicht
ganz mit. »Wer ist denn >wir    »Na ich und - Paul.«
    »Okay, Ella, bis gleich!«,
höre ich mich nur noch sagen und lege auf. Wo sind meine Schuhe? »Mama! Wo sind
meine Schuhe?« Natürlich, im Schuhschrank. So ein Blödsinn, diese blödsinnige Ordnung,
ich merke, wie mich das sinnlos wütend macht, aber dazu hab ich jetzt keine
Zeit.
    »Wo willst du denn hin?«,
fragt Mama.
    »Zu Ella«, sage ich und kann
das selbst nicht glauben. Mama freut sich. Ich bin schon halb aus der Tür, muss
mir aber noch anhören: »Immer muss erst ein andrer auf dich zukommen! Nu
freunde dich aber mal mit ihr an!«
    Augenrollend trete ich auf die
sparsam beleuchtete Dorfstraße. Es zieht sich ein Pflastersteindamm durchs
Dorf, geht abschnittsweise in rissigen Beton über, holperige Platten, aufgeweichte
Lehmwege mit Schlaglöchern, die nach einem Herbstregen unauslotbar werden und
nur für die Eingeborenen halbwegs berechenbar sind, und alles heißt
Dorfstraße. Die Fremden werden identifiziert anhand der Schlammspritzer an den
Seitenscheiben ihrer untauglichen Autos. Die sich seltsamerweise auf den
ersten Blick in nichts von den Autos der Einheimischen

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