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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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unterscheiden, kein
Mensch fährt hier einen Geländewagen oder so, aber insgeheim scheinen alle von
der Robustheit und Kampferprobtheit ihres Gefährts überzeugt, natürlich ihres
Gefährts allein weit und breit. Die Einzigen, die das wirklich für sich verbuchen
könnten, sind meiner Meinung nach die Hass-Brüder, die wahrhaftig so heißen und
schon seit mindestens hundert Jahren in ihrem grauen Haus mit den grünen
Fensterrahmen und schiefen Gardinen direkt an der Landstraße geheimnisvoll vor
sich hin leben, kauzig, »anners«, und die immer noch mit ihrem Pferdewagen auf
dieser Landstraße zum Einkaufen in die Stadt fahren. Stets zu zweit, wahrscheinlich
muss einer auf die Gäule, die das Alter ihrer Besitzer nicht wesentlich
unterschreiten dürften, aufpassen, oder sie können nach so langer Doppelpack-Existenz
einfach nicht mehr ohne den anderen.
    »Dei hemm'n n annern Gloubn«,
soll die stets wiederholte, aber einzige Auskunft meiner Uroma Hilda zu dem
merkwürdigen Gespann gewesen sein, und als ich Mama mal fragte, um was für
einen anderen Glauben es sich dabei denn handelte, stellte sich heraus, dass
bis jetzt keiner jemals das Bedürfnis gehabt hatte, das wissen zu wollen. Aber
auch auf ihren Briefen, falls sie welche kriegen, steht Dorfstr., Nummer
sowieso, denn vor der Post sind alle Bresekower gleich.
    Überm Acker hängt gelb und wie
aufgepumpt der Mond, ein schwerer Ballon, der die Sterne aus seiner Bahn
drängt. Sie haben sich alle am restlichen Himmel zusammengeschoben, und das
ganze Funkeln macht einen ein bißchen taumelig, wenn man nach oben guckt.
Früher hab ich mir vorgestellt, wie das wohl wäre, auf dem Mond zu wohnen, und
zwar genau auf der Grenze, ein Bein im Hellen und ein Bein im Dunkeln
sozusagen. Ob dann wohl eine Hälfte von mir immer schlafen könnte, während die
andere die ganze Zeit wach sein muss. Bis ich gemerkt habe, dass es hier nicht
viel anders ist. Hinterm Mond.
    Ein Geruch nach Kompost und
Gully, in einem Garten plumpst ein Apfel ins feuchte Gras. Zwei Hunde wechseln
sich beim Kläffen ab, sonst nichts. Fast nichts, außer meinen eiligen, leisen
Schritten. Sommer ist, wenn man nicht mehr weiß, was Frieren ist; also ist der
Sommer hiermit vorbei. Meine Schultern streben schon wieder Richtung Hals, die
Hände stecken tief in den Taschen, sowieso finde ich, dass Taschen an einem
Kleidungsstück das Entscheidende sind.
    Noch bevor wir gestern bei
Ellas Vorgartentor angelangt waren, hatte ich alles erfahren, die näheren
Umstände, wie man so sagt. Vor drei Tagen haben die Glocken geläutet,
nachmittags um zwei, ein Montag. Die alte Anna Hanske war gestorben, war tot
seit letztem Dienstag, was alle ziemlich überrascht hatte, noch am Wochenende
davor war sie auf ihrem schwarzen Nachkriegsfahrrad durchs Dorf gehuckelt. Ich
mochte sie irgendwie, obwohl ich nie ein Wort mit ihr gewechselt hatte,
höchstens mal »Tach« gesagt, sie war die Einzige, bei der mir das nicht schwerfiel,
sie war anders. Schweigsam, ja eigentlich nichts Besonderes hier, wenn damit
>maulfaul< gemeint ist, aber sie war es auf eine andere Art, die jenseits
dieser Verdruckstheit lag, die den Klatsch hervorbringt. Eine Krankheit sah man
ihr nicht an. Sonst weiß ich nichts über sie, außer dass keiner sie so richtig
leiden konnte, anscheinend wegen der Sache mit diesem Henry damals, der bei ihr
gewohnt hat und wohl über irgendwelche Ecken mit ihr verwandt war, dabei
konnte sie dafür ja nun nichts. Sie hat dann bis zum Schluss allein gelebt, in
einem ziemlich großen Backsteinhaus, schräg gegenüber vom Friedhof. Nun musste
sie die Straße überqueren, und ihre Tochter war weit weg. Ich hatte das auch
nicht gewusst. Die lebte seit Jahren in Irland, hatte einen Iren geheiratet und
hat einen Sohn. Paul. Und jetzt sind sie hergekommen, am Sonntag, zur
Beerdigung, und weil das Haus verkauft werden muss. Sie wollen ja nicht
hierbleiben, logisch. Nur so lange, wie es eben dauert. Paul sagte, er hätte
nur unter der Bedingung mitgedurft, dass er hier gastweise die Schule besuche,
also das Gymnasium, sein Vater hatte das so gewollt, wegen der »nutzvollen
Erfahrung«, wie Paul sagte, und zur praktischen Verbesserung und Anwendung
seines Deutsch, das er natürlich von seiner Mutter gelernt hat und meiner
Meinung nach schon ziemlich perfekt spricht, bis auf den leichten Akzent,
klingt übrigens sehr süß. Sein Vater schreibt gerade an einem Buch über Uwe
Johnson und ist schon allein deshalb mitgekommen. Ich

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