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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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die
dann immer sagen, sie haben keine Zeit, Lehrer haben eben nachmittags auch
nicht frei, nicht so wie ich, ich weiß, und das sagen sie auch, »wir haben
nicht so viel Freizeit wie du«, wenn ich das hör, dann weiß ich schon Bescheid.
»Das kann ja Ella machen«, da haben die sich richtig dran gewöhnt. Vor allem,
seit Oma nicht mehr so kann und Thorsten weg ist, obwohl, den haben sie nie mit
so was belästigt. »Nu tu ma nich so, als ob du dich hier überanstrengen musst«,
das ist so Vatis Spruch, »Arbeit hat noch keinem geschadet.«
    »Keine Arbeit auch nicht«, hat
Thorsten mir da mal zugeflüstert, »obwohl, vielleicht bei ihm!« Ich musste
kichern, und da hats gleich ne Ohrfeige von Vati gegeben, zum Glück wusste der
nicht, worums eigentlich geht. Aber ich muss da jetzt immer dran denken, wenn
er diesen bescheuerten Satz wieder bringt, und lach so in mich rein. Bloß mir
fällt so was nie ein oder immer erst hinterher, manchmal möchte ich sone
Antwort geben, wo denen einfach die Spucke wegbleibt, wo sie so von den Socken
sind, dass sie nicht mal an ne Ohrfeige denken, und dann dreh ich mich einfach
aufm Hacken um und gehe und bin weg. Was bleibt mir denn andres übrig, als auch
einfach wegzugehen, ohne Thorsten ist das doch hier gar nicht mehr auszuhalten.
Und dann sollen sie mal sehen, wo sie bleiben, und dann kann Oma rufen, so viel
sie will, Ella ist nicht mehr da.
    Aber das kann ich ihr ja nun
auch nicht antun, dann ist sie mit den beiden Nervensägen alleine hier. Und die
kann sie nicht so scheuchen: »Mook mi eis den Bloosentee, öwwer ohne Zucker.«
    »Wie spät is dat?«
    »Lääs mi noch eis de
Dodesantiegen vür.«
    »Hest nu all...« Und denn noch
das Amen-in-der-Kirche: »Joo, joo, Undank is de Welten Loohn!«
    Mit mir spricht sie meistens
hochdeutsch, und ich sag, Oma, brauchst du nicht, ich versteh das schon, das
Platt, aber sie schüttelt bloß mitm Kopf. Einmal hat sie gesagt: »Mit dir
brauch ich doch nich Platt sprechen!«, aber ich hab nicht genau gewusst, was
sie meint damit. Vielleicht verkalkt sie wirklich. Manchmal ruft sie mich, und
wenn ich denn in ihrem Zimmer steh, weiß sie nicht mehr, was sie wollte. Zuerst
war ich erschrocken, aber dann hab ich mich geärgert. Nicht, weil ich doppelt
laufen muss. Sondern weil ich gemerkt hab, dass sie das bloß so sagt. Bloß, damit
ich zu ihr komm, oder bloß, damit sie mich noch mal rufen kann. Jetzt ärger ich
mich nicht mehr, oder nur noch dadrüber, dass ich wieder mal so blöd war und
das nicht eher gemerkt hab. Sie macht das ja auch nicht, um mich zu
schikanieren. Die will ja bloß Gesellschaft, bloß, dass mal einer nach ihr
guckt. Und dann fragt sie mich auch jedesmal nach der Schule und nach den
»Schularbeiten«, und ich denk immer bloß, ach, Oma. Ich kann ihr doch nicht
sagen, dass mich der ganze Mist nicht die Bohne interessiert, dass ich die
Hausaufgaben meistens nicht mach, oder nur so die Sachen, die sich in ner
viertel Stunde abreißen lassen. Zu Mutti sag ich, wenn sie fragt: »Oma hat mich
ja abgehalten. « Und dann geht das Gemecker los, jeder mit jedem, jeden Tag.
Manchmal weiß ich echt nicht, ob ich lieber, in Anführungszeichen, in der
Schule oder zu Hause bin.
    Ein Baby wollten sie nicht
mehr, aber dafür Oma. Dabei hätt ich gern noch ne kleine Schwester gehabt und
die dann im Kinderwagen durchs Dorf geschoben, und kein blöder Arsch hätt sich
an mich rangetraut. Ich hätt mir glatt eingebildet, dass das mein eigenes ist
und ich das jetzt vor allem beschütze. Aber nu wird n Rollstuhl angeschafft,
für Oma, und rat mal, wer den dann schieben darf.
     
    ROMY
     
    jeden Abend zu Hause ist auch
nicht das Wahre. Aber was will man denn machen, hier. Wenigstens hat man jetzt
was zum drüber Nachdenken. Was aber auch nicht geht, weil jetzt Mama schon
wieder in der Tür steht, rumguckt, guckt, was ich mache also, und schließlich
sagt: »Räum doch endlich mal die Viecher weg!«
    Sie hat aus ihrem
Standardsatzrepertoire gewählt. Erst hab ich gedacht, sie würde sagen: »Komm
doch zu uns, Fernsehn gucken.« Sie erträgt das nämlich nicht, dass ich, ihre
einzige Tochter, abends - allein - in meinem Zimmer sitze. Und immer - nur -
lese. Dabei stimmt das gar nicht.
    Ich habe nur meistens
tatsächlich ein Buch in der Hand, wenn sie reinkommt, ich muss nur aufpassen,
dass ich es nicht wie in einem albernen Film verkehrtrum halte und dann
versuchen müsste, ihr weiszumachen, ich übte, für Notfälle, das Entziffern auf
dem

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