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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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von dem ganzen Gefrierzeug drumrum.
Sein Einband bestand aus weichem Plastik, wie diese Babybilderbücher, nur dass
es eben nicht für Babys war, ganz im Gegenteil. Babys haben keine Geheimnisse,
aber ich hatte welche, oh ja, und dieses Buch gab mir die Möglichkeit, sie in
Worte zu fassen. Ich kam mir bis heute nie wieder so erwachsen vor wie in
diesem Moment. Ich versteckte es sofort in meinem Zimmer, und Mama hat es nie
wiedergesehen.
    Aber zu Weihnachten im Jahr
darauf packte ich zu meiner großen Freude und Bestürzung ein weiteres Tagebuch
aus. Das erste war fast voll, und so kam es mir gerade recht, aber ich wusste
nicht, was mich daran peinlicher berührte: dass ich ein Tagebuch - von meinen
Eltern - geschenkt bekam, was mir wohl irgendwie ein Widerspruch in sich zu
sein schien, oder die Abbildung darauf. Dagegen waren jedenfalls Mickey und Minnie
verzeihlicher Kinderkram gewesen. Es handelte sich um ein Foto, das einen
sogenannten gut gebauten Mann in weißem Unterhemd und Latzhose mit einem
Saxophon zeigte, daneben saß ein kleiner Junge in ebensolcher Latzhose, auch
bei ihm lässig nur über einer Schulter gehalten, auf der Motorhaube eines
Oldtimers. Sonnenuntergangsstimmung. Auf der Rückseite fand sich derselbe Mann
noch mal ohne Junge und Saxophon, dafür aber mit einer Rose, die er verträumt
an seine Lippen hielt, in eine weite amerikanische Prärielandschaft gestellt.
    Ich war entsetzt. Vor allem
über die offenbar zugrunde liegende Annahme Mamas, dass ich so was gut finden
könnte. Dabei konnte ich mir denken, warum sie ausgerechnet dieses gekauft
hatte, und das machte es nur noch unerträglicher: Sie war wohl der Meinung,
dass ein »romantisches« Motiv wie dieses meinem pubertären Alter mit seinen
romantisierenden Schwärmereien entspräche oder, und da lag der Kern des Pudels
begraben, eigentlich entsprechen müsste, denn da ich in diesen Dingen sehr
zurückhaltend, und, wie Mama wohl befürchtete, zurückgeblieben war, meinte sie
anscheinend, mir etwas auf die Sprünge helfen zu müssen, so nach dem Motto,
dass sie jedenfalls keine von diesen irgendwie verklemmten oder altmodischen
Müttern sei, sondern das genaue Gegenteil: offen, verständnisvoll, hilfs- und
gesprächsbereit. Was man von mir nicht gerade behaupten kann. Das ist sowieso
unser ständiger Streitpunkt. Dass sie irgendwelche Dinge für mich aussucht,
besonders Klamotten, die sie »jugendlich« und »flott« findet, und dann nicht
einsehen kann, dass ich mich zum Gespött der ganzen Schule damit machen werde.
    Ich weiß beim besten Willen
nicht mehr, was ich zu diesem Tagebuch gesagt habe; ich habe es sorgfältig
hinter die anderen Geschenke unter dem Weihnachtsbaum geschoben, denn einer
Schmach wie der, dass irgendein Besuch, irgendeiner von meinen furchtbaren
Verwandten es zu Gesicht bekommen könnte, fühlte ich mich nicht gewachsen,
nicht mal ich selbst wollte es angucken. Nach Weihnachten ist es mir dann wohl
irgendwie gelungen, sein Äußeres zu ignorieren und mich dafür eifrig der
Aufgabe zu widmen, ihm ein Innenleben zu verpassen, was bei so viel täglicher
Peinlichkeit auch kein Problem darstellte, jedenfalls brauchte ich, noch bevor
das Jahr wieder rum war, ein neues, und für dieses und auch alle weiteren
kratzte ich mein klägliches, unregelmäßiges Taschengeld zusammen.
    Was Mama auch nicht erträgt,
sind John und Paul. Wie sie so rumguckte, war mir klar, dass der Satz mit den
»Viechern« käme. Sie findet sie eklig. Tote Tiere im Regal, das ginge nun
wirklich zu weit. Ich weiß nicht, was an zwei knochentrockenen Flusskrebsen,
der eine hell, der andere dunkel, eklig sein soll. Sie sind nicht mehr die
Frischesten, deshalb sollten sie ja auch weg. Da lagen sie, übereinandergehäuft
in einer Pappkiste wie in einem späten Massengrab, damals im Biologieraum.
Gratis, zum Mitnehmen. Ich hab mir einen elfenbeinfarbenen ausgesucht, und
einen cognacbraunen dazu. Und musste über Namen für die beiden nicht lange
nachdenken. Jetzt spiele ich ihnen manchmal ihre Lieder vor, zur Erinnerung.
Das rote Album, das blaue Album. Auch, um mich selbst daran zu erinnern, dass
es vielleicht an und für sich und überhaupt gar keinen Grund gibt, sich dafür,
»so was« zu mögen, nun in Grund und Boden zu schämen. Ich weiß auch nicht, aber
zuerst war ich überzeugt davon, es müsse mir vor meinen Eltern wieder mal
irgendwie peinlich sein. Keine Ahnung, wieso. Weil ich auf einmal die Musik ihrer Jugend gut fand? Dabei kenne
ich die

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