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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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Feuer viel gründlicher machen: Es würd sie auslöschen.
    Wie schön das aussieht, so
gegen den dunkelblauen Himmel. Wenn man das wirklich malen könnte. Aber
vielleicht ist das auch nur deshalb so schön. Weil man das nicht kann. Kann man
sagen, was man will, Feuer auf Bildern taugt nie was. Wasser kriegen sie hin,
manch einer sogar Hände, aber Feuer nie. Das brennt einfach nicht, ich kann das
nicht sehen. Hat auch was mit Hören zu tun und dieser andren Wärme auf der
Haut, nichts macht so eine Wärme wie offenes Feuer, das zieht einen förmlich
an, immer näher. Als Kind konnte ich das gar nicht erwarten, dass endlich
wieder geheizt wurde. Als wir noch die Öfen hatten. Ich durfte das nicht, aber
das hat mich gar nicht interessiert. Ich hab trotzdem die Klappe aufgezogen und
mich davorgehockt und mir das in Ruhe angeguckt: wie die Flammen das Holz
fressen, und ich dachte wohl wirklich, sie fressen das, weil das Knacken für
mich wie ein Zerbeißen war, und wie sie an den Kohlen lecken und nach und nach
überall reinkriechen, wie Fieber, das man quasi beobachten kann, so hab ich mir
das immer vorgestellt, wenn ich Fieber hatte, dass ich von innen auch so bin,
so glutrot, und dass man das eigentlich sehen müsste, durch die Haut. Ich
mochte das. Das Beste war, als einmal unser Weihnachtsbaum brannte. Wie schnell
das ging. Als Vati mit dem Wasser kam, war er schon halb hinüber. Aber dann
dieses Geräusch, als er es auf das Feuer kippte, und der Baum, der unten noch
ganz grün war und oben verkohlt, und auf dem Fußboden alles nass, und alles
dunkel - da war ich auf einmal so traurig, dass ich heulen musste. Und Mutti
dachte natürlich, vor Schreck oder so. Aber ich glaub eher, vor Wut. Weil Vati
wieder alles kaputt gemacht hatte, weil er mir nichts gönnte, nicht mal n
Feuer. Im nächsten Jahr gabs sowieso ne elektrische Lichterkette, obwohl Oma
dagegen war, ich auch.
    Manchmal denk ich, ich hab
bloß deshalb angefangen zu rauchen: um einen Grund für ein Feuerzeug zu haben,
oder Streichhölzer. Ich halt sie immer so lange fest, wie es geht. Alles
andere wäre Verschwendung. Verschwendung von Schönheit. Ich hab schon immer
gerne Sachen verbrannt, besonders Papier, es gibt sehr verschiedenes. Es gibt
welches, das verbrennt, ohne gleich zerstört zu werden, zumindest ohne dass man
es ihm ansehen würd. Als würd das Feuer es nur ausmalen mit einem ganz
gleichmäßigen Braun, oder als war das Braun schon immer unter dem Weiß
gewesen, als würd das Feuer es abziehen wie eine falsche Haut. Das könnt ich
mir immer wieder angucken, ich weiß nicht, es macht mich irgendwie - zufrieden
oder so, es ist perfekt. Auch, dass man es dann nicht mehr anfassen darf, dass
es nur noch zum Angucken da ist, und auch das nur kurz. Und dann ist es einfach
weg. Ich zeichne fast nur noch auf solchem Papier.
    Als ich letztes Jahr endlich
den Computer gekriegt hab, war das zumindest ein ganz praktischer Ersatz.
Natürlich kann nichts echtes Feuer ersetzen, auf die Dauer. Aber eine
Löschtaste ist auch nicht schlecht, komisch eigentlich, dass Löschen und
Verbrennen ungefähr das Gleiche sein kann, und ich muss mir nicht ständig n Kopp
machen, wie und wo ich jetzt wieder die ganzen Blätter verbrenne, ohne dass
das einer mitkriegt. Ich schreib sowieso nicht gern mit der Hand, das haben sie
sich nämlich so gedacht: dass sie einen einfach auf rechts umerziehen können,
und dann würde man schön ordentlich schreiben wie jeder andere, als wenn nix
war. Das Ergebnis ist, dass ich weder mit links noch mit rechts richtig
schreiben kann, S chrift war jedenfalls immer 4. Als man dann in der Neunten
diesen Schreibmaschinenkurs in der Volkshochschule machen konnte, hab ich mich
dafür gleich mal angemeldet. Und dann zu Hause auf Opas oller Schreibmaschine
rumgehackt. Das gab sofort wieder einen Pluspunkt bei Oma. Manchmal tut sie mir
leid. Sie denkt, dass ich wirklich so bin. Wie ihre Enkelin Ella, von der sie
allen erzählt. Mutti natürlich wieder: »Willst du nu etwa Sekretärin werden,
mit Abitur?« Aber Oma: »Wieso, wat hast nu wieder mit ihr? Dat is doch ein
guter Beruf! Bild du dir man bloß nix ein auf deine Faulenzerei!«
    Manchmal stell ich mir vor,
alle diese Wörter und Sätze mussten wieder von denjenigen, die sie ausgespuckt
haben, Stück für Stück aufgegessen werden, wie der Cursor auf dem Bildschirm
die Schrift frisst, es müsste so was an Menschen geben: eine Delete-Taste.
Nicht zum Rückgängigmachen oder so, so einfach geht

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