Zander, Judith
könnt, da war mir denn
manchmal, als könnt ich gar nich mehr richtig satt werden. Uns ging das ja gut
denn. Und Simon sagte immer, »Mann, was du essen kannst!«. Und das war ja nich
bloß abends. Das hat man gar nich so gemerkt, was man da tagsüber in der
LPG-Küche schon so weggefuttert hat. Die waren ja alle nich ohne da. Aber die
Männer mochten das, Simon auch. Wenn da n bisschen was dran war. Das war nich
so wie heute, diese Bohnenstangen. Die is doch nicht ganz richtig, Britta.
Zählt nu schon ihrem eignen Kind die Happen in Mund, und früher warn wir froh,
wenn wir unsern Kindern was geben konnten. Aber das hab ich ihr schon gesagt,
Ella, dass sie sich da nich drauf einlassen soll, auf diesen
Schlankheitsfimmel. Sie würd schon sehen, wer da nachher die Nase vorn hat.
»Wobei?«, fragt sie doch glatt. Da hatt ich mich wohl bisschen vergaloppiert,
weil ich nu erst merkte, dass sie da vielleicht noch n bisschen jung für is,
weil sie da wohl noch gar nich dran denkt, an so was. Ich weiß nich, was Britta
immer mit ihr hat, die hat doch gar keinen Grund, ich sag bloß, andre sind da
ganz anders in dem Alter. Wink ich sie also son bisschen zu mir ran und sag ihr
denn ins Ohr: »Na, beim Heiraten«, und nick ihr so zu. Da guckt sie mich ganz
entgeistert an. »Oma! Ich heirat doch nich!« Siehst. Na, ich wollt auch erst
nich. Das heißt, erst schon, bloß wie das denn so weit war, da wollt ich nich
mehr. Aber da gewöhnt man sich auch dran. Bloß der Richtige muss das sein. Das
muss nich der Schönste sein. Ich hab das ja bei dir gesehn, Anna. Gut sah er
aus, dein Theo, das schon. Und gewundert hat mich das manchmal, das muss ich
sagen, dass er dich genommen hat, wie er zurückkam. Wo du bloß noch ein Strich
inne Landschaft warst, aber er war ja auch nich mehr. Bloß dass er sich
ruckzuck erholt hat, kochen konntst du ja, bloß dass du auch selber was davon
gegessen hättst, das hat man nich gesehn. Auch später nich, so richtig wurdst
du nie mehr, du hattst ja gar nix zuzusetzen, und ich dacht immer, wenn dir nu
mal was ankommt, was dann. Da hattst du Glück, Anna, dass du nie krank wurdst,
jedenfalls kann ich mich nich erinnern, dass du mal was hattst, schon als Kind
nich, und wenn, denn hat man dir das kaum angemerkt, so warst du. Ich hab
trotzdem immer einen Schreck gekriegt, später, wenn ich dich mal gesehn hab.
Vielleicht bloß dadrüber, dass ich dich gesehn hab. Anna, ich versteh das
selber nich, weil ich jetzt so oft an dich denken muss. Aber zu der Zeit, da
war das, als wenn ich dich manchmal ganz vergessen hatt. Und denn standst du
auf einmal vor mir im K onsum . Oder ich hab dich von weitem
gesehn, mit dein Fahrrad auffer Landstraße, wie du nach Anklam oder
irgendwohin gefahren bist, ich wusst ja gar nich mehr, was du so machst, ob du
einen hast, den du besuchen kannst. Wirklich, auffer Elternversammlung, da war
ich jedesmal ganz verdattert, dich da zu treffen, da fiel mir das erst wieder
ein, dass unsre Kinder in die gleiche Klasse gehn. Manchmal wollt ich denn
Hartmut bisschen aushorchen, über deine Ingrid. Ich weiß auch nich, wieso. Ob
sie so is wie
du früher vielleicht. Aber Hartmut musst man auch alles ausser Nase ziehn,
besonders später, da hat er wohl gedacht, ich will ihn bloß aushorchen, ob er
sich verguckt hat in sie. Na, das auch. Aber eigentlich war das wegen dir,
Anna. Ich kann mich bloß an einmal erinnern, aber da war er noch lütt, vielleicht
grad man zweite Klasse, wie er da nach Hause kam und sagte, »Ingrid is doof«.
Aber da war er selber schuld. Er hatt sie nämlich wohl bisschen gepiesackt, mit
Christa Pohley zusammen, das weiß ich noch, das war so seine kleine Freundin
damals. Und dann hat sie ihn wohl gehauen, Ingrid, und Christa hat auch ihren
Teil abgekriegt. Zuerst war ich da ja son bisschen fünsch wegen, weil ich
dacht, das geht doch nu nich, dass ein Mädchen solche Ruppigkeit an Tag legt,
ich wollt schon zu dir gehn deswegen, Anna. Aber erstens hätt ich mich gar nich
getraut. Ich könnt mir schon ungefähr denken, was du davon halten würdst. Und
siehst du, eben deshalb hab ich mich denn auch gar nich so auf Hartmuts Seite
geschlagen. Weil mich das an dich erinnert hat, weil du dir auch nix hast
gefallen lassen.
Und nu saßt du da jeden Tag
ganz adrett in dein LPG-Büro und ich stand bloß hundert Meter weiter in meine
LPG-Küche und musste in die großen Pötte rührn, und mir lief das Wasser nur so
runter, und du brauchtest bloß auf deine Maschine tippen,
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