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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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mokiert hat, na
jedenfalls: rutsch ab und schneid ihr doch in'n Arm, und das Blut spritzte
gleich. Ich das Messer fallen lassen und nix wie weg, ich bin gerannt, gerannt,
sone Schiss hatt ich. Wovor eigentlich? Die Mutter verletzen, was Schlimmres
könnt ich mir gar nicht vorstellen, ich dacht, die reißen mir den Kopf ab, das
war nicht bloß Angst vor der Strafe, ich fand mich entsetzlich, ich glaub, ich
wollt am liebsten vor mir selber weglaufen.
    Ich hab mich dann den ganzen
Nachmittag irgendwo versteckt und mich erst abends wieder nach Hause getraut,
und da stand meine Mutter in der Küche, mitm dicken Pflaster überm Arm, und die
hat dann gesagt: »Kümm eis hier. Dat wier doch nich so schlimm!«, und dann hat
sie mich kurz in den Arm genommen, aber ich stand da wie bedäppert.
    Aber selber konnte sie auch
überhaupt nicht mit so was umgehen, ich glaub, wir können alle kein Blut
sehen, zum Beispiel Elke ist dann ja immer gleich blau angelaufen und hat nach
Luft geschnappt und ist umgekippt. Einmal mitten im Kornfeld, und weg warse!
Ich weiß gar nicht, wie die das beim Schlachten gemacht haben, ich hab mir
mitm Kopfkissen die Ohren zugehalten, wenn das losging, wenn ich die Schweine
quieken hörte. Und dann kam der besoffne Trichinenbeschauer, und wir Gören
haben immer »Maschinenbeschauer« gesagt, weil wir gar nix damit anfangen
konnten, na, war vielleicht auch besser so. Der linste dann kurz durch sein
Mikroskop und sagte immer: »Alles in Ordnung«, und schon stand der Schnaps aufm
Tisch. Und abends gabs Schwarzsauer, da haben die sich alle zehn Finger nach
geleckt, besonders meine Mudder. Mir wurd schon vom Geruch ganz anders. Und
meine Oma! Da war die ja gar nicht zach: die Gänse mit der Schere in'n Kopp
gebohrt, nee! Und meine Mudder hat die Schüssel drunter gehalten. Das darf man
ja heut gar keinem mehr erzählen.
    Aber wie ich da vom
Schlittschuhlaufen mit dem Loch im Kopp nach Hause kam, wusst meine Mudder gar
nicht, was sie machen soll, und hat mich bloß entgeistert angeguckt und gesagt:
»Sonja! Wat hest du denn mookt?«
    Ich weiß gar nicht mehr, wie
alt ich da war, vielleicht zweite oder dritte Klasse, und wir haben ja im
Winter auf dem Teich beim Kulturhaus immer Eiskunstlaufen gespielt, erst haben
wir uns Gaby Seyfert und Sonja Morgenstern und die andern im Fernsehn
angeguckt, und dann sind wir selber los, und das waren noch so Schlittschuhe,
eigentlich bloß Kufen, die man an die Schuhe schrauben musste, wovon dann die
Schuhe mit der Zeit auch kaputtgegangen sind und weshalb unsere Eltern das gar
nicht so gerne gesehen haben, da hieß das bloß immer: »Glööw nich, dat ick di n
poor nieje kööp!« Aber wenigstens waren wir draußen, in der Bude hocken, das gabs
ja nicht.
    Ich weiß noch, dass ich an dem
Tag Gaby Seyfert war, das wollte jede immer sein, und ich war ja sonst auf
Sonja Morgenstern abonniert, Sonja musste logischerweise Sonja sein, wodrauf
ich auch ein bisschen stolz war, trotzdem mocht ich meinen Namen nie. Vor allem
wegen der Margarine. Das war wirklich kurios, aber das konnte ja keiner ahnen,
dass die sich so was ausdenken. Meine Freundin hieß Marina, wir sind bloß drei
Tage auseinander, und kurz nach unserer Geburt kamen dann diese beide
Margarinesorten auf den Markt: S onja und M arina . Unmöglich!
    Aber an dem Tag jedenfalls
durfte ich Gaby Seyfert sein und ich war stolz auf meine Pirouetten, also wenn
man sich zweimal rumdrehen konnte, das war schon was, das gab dann schon
mindestens ne fünf komma acht. Bloß dann bin ich auf einmal hintenüber gefallen
und mit dem Hinterkopf auf ein Stück von soner Eisenstange, die da im Eis
steckte, in dem Tümpel lag ja alles Mögliche rum, vom Krieg noch oder was weiß
ich, ich glaub, die haben auch alle ihren Müll da reingekippt, aber ich bin
dann wieder aufgestanden, mit brummendem Schädel, und sag noch, »ach, nich so
schlimm«. Aber denn merkte ich schon, wie das ganz warm wurde an der Stelle,
die wehtat, und als ich meine Mütze abgenommen hab, war da ein großer Fleck
drauf. Das war so helle Wolle gewesen, meine Oma hatte mir die gestrickt, und
die saßen immer ganz eng, diese Mützen, ich mocht die eigentlich nicht, und ich
dacht bloß, dass das aber Meeker gibt, wenn die das sehen, »dat geiht doch nich
miehr ruut«. Ich hab bloß auf diesen Fleck gestarrt, es wurd schon dunkel, und
das Blut sah ganz schwarz aus. Ich hab mich gar nicht getraut, meinen Kopf
anzufassen, meine Freundinnen haben mich bloß ganz

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