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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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sich allein, sondern auch für die gute Sache, die
gute alte, und abgezogen von der schimpflichen neuen, die Sozialismus geheißen
ward und sich trefflich vergleichen ließ mit dem Mehrzweckgelände , an dem ihn in zartem Alter
so oft sein Weg vorbeigeführt hatte und das, bei genauerer Betrachtung, gar
keinem offenen Gelände ähnlich war, sondern einer lose und windschief
überdachten Halle, was indes keine weiter überraschende Enttäuschung darbot,
nachdem man ihm schon den Gedanken abspenstig gemacht hatte, es ließe sich
darauf der März wecken, und auch diente es gar nicht mehreren Zwecken, sondern
nur einem. Denn sorgsam und demütig hatte er seine Rollschuhe wieder verpacken
und einen stillen Rückzug antreten müssen, als die Vertreter beider Mannschaften
eines Handballspieles sich als rauh und absolutistisch erwiesen hatten und dies
auch fürderhin blieben und er sonach nimmermehr das Rollschuhlaufen erlernte.
    Erlernt aber habe ich den
Zweifel, und zwar als eine seltene und selten verlangte Fähigkeit, und sie
erschien mir unnütz und bewahrenswert zu gleichen Teilen, wie ein altes
Handwerk. Und wie auch die alten Handwerke als dem Fortschritte der menschlichen
Gesellschaft entgegenstehend angesehen waren, so war auch der Zweifel ein
Rückstand, den es, wo nicht zu entfernen, zu verdrängen galt. Und wir wurden
gelehrt, Gebete zu widmen denen, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden,
und ich fühlte mich eingeschlossen in die Gebete, denn dies, der Zweifel, war
mein Glauben. Und etliche Jahre darauf erst wagte ich, meinem Verfolger ins
Angesicht zu blicken, und siehe, es war kein anderer als der Zweifel. Seit
dieser Zeit aber legt er täglich Fragen mir vor, wie Felsen gewaltige, geringe
wie Sandkörnchen, und sie alle gehen auf den Reim, was es denn wohl auf sich
habe mit dem Guten im Menschen. Und zum Exempel bin ich geneigt, allemal mich
selbst zu wählen, denn das Wort: R ichtet
nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet war mir das Schwerste stets,
und so nahm ich zur Sühne meiner Schwäche mich selbst zum Ankläger sowohl wie
auch Angeklagten. Und im gewichtigen Buche des Zweifels, den ich gleichwohl
nicht Gewissen zu nennen pflege, denn ebendieses setzte wohl die Anwesenheit
des guten Kernes in der menschlichen Schale voraus, die ob der Zähigkeit und
Faserigkeit selbiger einstweilen noch ungewiss bleiben muss, in diesem Buche
also finde ich, sooft ich es aufschlage in meinem Geiste, die verblichenen, zu
Teilen unleserlichen, zu Teilen noch gut zu gewahrenden Fragen meiner längst
vergangenen Erdentage, als auch ebenso die mit schwarzer Tinte spitzig
gestochenen meiner jüngst hinter mir gelassenen.
    Sprich: die letzte Woche. Und
solcherart nichtsnutzige Gedanken kommen mir stets freitags, wenn ich über der
Predigt brüte wie ein altes Huhn, närrisch hoffend, es möge doch einmal etwas
anderes herauskommen als gelbe Küken; der Sonnabend beschäftigt mich mit
haushälterischen Erledigungen und kleinen Arbeiten, und Sonntag - ist eben der
Sonntag. Der Freitag ist ein erbärmlicher Tag. Unser Herr starb an einem
Freitag, und zur Erinnerung daran ist Karfreitag immer Mistwetter, immer schon
gewesen, darauf würden sie hier alle einen Schwur ablegen. Und der da starb am
Kreuze hatte sich noch nicht mal etwas vorzuwerfen. Er brauchte keiner von den
Guten sein. Da steh'k doch drüber, hätte er locker sagen können, sagte er aber
nicht, eben darum, quod erat demonstrandum.
    Und unsereins muss sich selber
martern. War es denn gut, in der im gar trockenen Munde geführten Rede zu Anna
Hanskes Grablegung gar Etliches zu bezeugen von ihrem Leben, das mir nur aus
Peter Hanskes Bericht bekannt geworden war, aber still zu schweigen von dem,
was zwischen seinen Worten klar wie Tränen hervorgeglitzert hatte und
hervorgelockt worden war vom scharfen beständigen Winde der gemeindlichen Rede?
War es denn gut, mich darob zu besänftigen damit, dies im Sinne Ingrid Hanskes
vollzogen zu haben, und mich alsdann dem Verständnis, mit etwas anderem ihr
Gutes getan zu haben, widersetzte, als sie mir, während ich ihr ein Stück vom
Kuchen reichte, zuraunte: »Das war man eine gute Idee, Herr Pastor«, und ich
nur milde lächelte wie einer, der getan hat, was sich nun einmal geziemte?
    War es denn gut, dass ich
wiederholten Males mit meinen Schritten einen Bogen beschrieb um Hartmut
Wachlowskis Ehegattin, als ich ihrer ansichtig wurde von ferne auf ihrem Hofe
und also den Umweg an der Straße entlang nahm und mir

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