Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
flitzen. Er bewegt sich so blitzschnell, dass er kaum zu sehen ist. Trotzdem ist es, als würde er eine Fackel halten: Immer wenn dasMondlicht auf die Haare des Jungen fällt, leuchten sie wie eine hell lodernde Flamme. Es braucht nur einen Feind, der im falschen Moment hinschaut. Ich wage kaum zu atmen, während ich hinter ihnen herhusche.
Twiss kämpft immer noch mit dem Schloss, als wir bei ihr ankommen. Ihr Atem geht schneller. Es ist das Einzige, was ihre Angst verrät. Ich dagegen stinke vor Angst, genau wie Aidan. Ich lege ihm eine Hand auf den Arm, nicht nur um ihn zu beruhigen, sondern auch mich selbst, während Twiss sich weiter mit dem Schloss abmüht. Und dann geschieht es. Die Zeit hat die uns gewährten Minuten und Sekunden in Freiheit abgezählt.
» Zara! «
Die Stimme meines Vaters hallt gebieterisch durch den Hof. Er hat meine Anwesenheit gespürt.
Er weiß, dass ich lebe, dass ich eine Ketzerin bin und dass ich ihn verraten habe.
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I ch höre und fühle sie. Ich sehe sie mit den Augen meines Geists, als würde ich direkt vor ihnen stehen. Magier schießen vom Gefängnisdach herab, stürmen eine Lufttreppe in den Hof hinunter. Mein Vater kommt.
Aidan streckt suchend eine Hand aus, findet die unsichtbare Twiss und schiebt sie zur Seite. Sie richtet sich fluchend auf, und ich halte ihren Arm fest, um sie daran zu hindern, ihm einen wütenden Stoß zu verpassen, während er einen Fuß hebt und das Fenster eintritt.
Er springt über Scherben und zersplittertes Holz, den Jungen schützend in seinen Armen, blickt sich suchend nach uns um und stöhnt frustriert auf, als ihm wieder einfällt, dass er uns nicht sehen kann, und läuft los. Twiss klettert ihm eilig hinterher. Als ich ihr folge, vorsichtig darauf bedacht, den Glassplittern auszuweichen, fühle ich, wie mein Vater seinen Geist nach mir ausschickt. Zitternd vor Angst kauere ich mich auf dem Boden zusammen. Niemand kann einem ausgesandten Gedanken entkommen.
» Zara! «
Es ist sein Geist, der schreit, nicht sein Mund. Er ist herrisch. Gebieterisch. Besitzergreifend.
Die Angst zerrt mich in mein altes Leben zurück. Ich bin wieder neun und der Willkür meines Vaters ausgeliefert, der meinen Geist aufgebrochen hat. Dann fällt mir ein, was Twiss mir beigebracht hat – den Atem verlangsamen und noch tiefer ins Anderswo flüchten.
Benedicts Geist rast an mir vorbei. Erleichterung durchflutet meinen Körper. Den Göttern sei Dank, dass er nicht nach Aidan sucht … noch nicht. Aber der Erschaffer und sein Lehrling schweben in Todesgefahr. Ich knie mich hin und schaue mich suchend um, kann sie jedoch nirgends entdecken. Auch die Diebin nicht. Aidan und Twiss sind verschwunden.
Ich rapple mich auf, kämpfe erneut gegen die Angst an, die versucht, mich aus dem Schutz des Anderswo zu vertreiben. Es kostet mich meine ganze Beherrschung, ruhig zu bleiben, als ich den Korridor hinunterstürme und dem Weg zurück in die Katakomben folge. Wo ist Twiss? Ich kann sie im Anderswo nirgends entdecken. Sie scheint sich so tief darin verborgen zu haben, dass ich es nicht wage, ihr zu folgen. Verdammtes Kind! Sie hat es absichtlich gemacht, führt irgendetwas im Schilde. Mir bleibt nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass sie auf sich aufpasst. Immerhin hat sie eine Chance. Aber Aidan …
Dort! Mein Herz hört für einen Moment auf zu schlagen, als ich ihn entdecke. Ich komme zu spät.
Zwei Gestalten zeichnen sich im Dunkeln ab, gespenstische Schattenrisse im Licht einer Fackel. Aidan weicht wie ein gehetztes Tier von einer Seite zur anderen aus, presst mitder einen Hand den Jungen an sich, während er mit der anderen, in der er das Messer hält, versucht, seinen Angreifer abzuwehren. Der Wächter ist groß, mit breiten Schultern und langen, kräftigen Armen. Er stößt einen Kampfstock in Aidans Richtung, der zwar geschickt ausweicht und dann selbst vorspringt, um zuzuschlagen, durch den Jungen aber viel zu langsam ist. Das Kind klammert sich, so fest es kann, mit seinen dünnen Armen und Beinen an Aidan fest und schreit und wimmert ohne Unterlass.
» Setze ihn ab! «, rufe ich Aidan zu, während ich auf sie zustürme. Doch der Erschaffer hält ihn genauso verzweifelt fest wie der Junge ihn. Der Wächter holt zu einem zweiten Schlag aus, aber er kommt nicht mehr dazu, ihn auszuführen. Ich habe meinen eigenen Stock im Laufen hervorgezogen und lasse ihn auf den Kopf des Mannes niedersausen. Er sackt mit einem dumpfen Geräusch zu
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