Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
schmerzerfüllten Ausdruck. »Ich dachte, sie hätten dich … Ich dachte, du wärst tot …«
Eine ganze Flut von Emotionen droht ihn zu überwältigen. Ich spüre Freude, Angst und Wut.
Aidan schüttelt den Kopf. In seinen Augen schimmert es feucht. »Ich will nicht, dass du tot bist, Zara. Ich will, dass wir leben. Damit wir …« Seine Hände schließen sich noch fester um meine Arme, dann starrt er mich beinahe vorwurfsvoll an.
»Wo zur Hölle warst du?« Er schüttelt erneut den Kopf und stößt ein gequältes Stöhnen aus. »Tut mir leid. Ich weiß, du bist so schnell gekommen, wie du konntest. Es ist nur … ich war fast verrückt vor Angst um dich. Ich habe geträumt, dass …« Er hält inne. »Du bist doch nicht etwa nur ein Traum, oder?« Vorsichtig streckt er eine Hand aus und berührt meine Magierzeichen und meine Lippen.
Mein Herz zieht sich zusammen, als Twiss mich mit einem unsanften Stoß zwischen die Schulterblätter daran erinnert, dass wir für so etwas keine Zeit haben.
»Wir müssen los«, zischt sie.
»Wer ist das?« Aidan blickt sich alarmiert im Raum um, bis mir einfällt, dass er sie nicht sehen kann.
»Eine Freundin«, antworte ich hastig. »Zieh dich an, schnell. Wir müssen uns beeilen …«
»Ich weiß. Ich konnte deinen Vater nicht länger hinhalten. Ich musste die Große Uhr reparieren. Sonst hätte er …« Sein Blick verdunkelt sich, dann schüttelt er den Kopf, als wollte er sich von einer schmerzhaften Erinnerung befreien, springt aus dem Bett, hebt seine Kleider vom Boden auf und schlüpft hinein. Twiss schaut ihm interessiert dabei zu und am liebsten würde ich ihr einen Klaps auf den Hintern geben und sie zur Wand umdrehen. Doch er ist in Windeseile angezogen und kommt dann mit vor Aufregung leuchtenden Augen auf mich zu.
»Lass mich das Schwert nehmen«, sagt er und greift nach der Waffe.
»Nein!« Ich weiche vor ihm zurück. »Nicht das Schwert. Hier, nimm das.« Ich löse den Messergürtel, den Twiss mir gegeben hat, und reiche ihn ihm. »Es wäre allerdings besser, wenn du es nicht darauf anlegst, es zu benutzen, Aidan. Du würdest den Kampf nicht gewinnen.«
Er runzelt unwillig die Stirn und deutet mit dem Kopf auf das Schwert. »Kannst du mit dem Ding überhaupt umgehen?«
»Entweder das Messer oder gar nichts! Du vergeudest bloß kostbare Zeit.«
Er zieht eine Grimasse, schnallt sich aber das Messer um.
»Und jetzt komm endlich.« Ich ziehe ihn an der Hand Richtung Tür.
»Warte!« Er macht sich los. »Ich kann nicht ohne den Jungen gehen.«
»Was?«, zischt Twiss. »Welcher Junge? Wir können nicht noch jemanden mitnehmen!«
»Du hast es versprochen«, sagt Aidan. »Ich werde nicht ohne ihn gehen. Er war das Einzige, das mich … ohne ihn hätte ich hier den Verstand verloren. Ich werde ihn jetzt nicht im Stich lassen!«
»Und ich werde mein Versprechen halten.«
»Wir können nicht auch noch ein Kind mitnehmen!«, flüstert Twiss aufgebracht. »Sag ihm, er soll die Klappe halten und tun, was ihm befohlen wird!«
»Schsch!« Ich werfe Twiss einen wütenden Blick zu, bevor ich mich wieder Aidan zuwende, der verblüfft zu dem Schatten schaut, in dem Twiss im schützenden Anderswo steht. »Wo schläft er?«
»Hier im Gefängnis. Zwei Stockwerke tiefer.«
Ich führe den Weg zur Tür an, Twiss bildet die Nachhut. »Mach dir keine Sorgen, wenn du mich plötzlich nicht mehr sehen kannst«, sage ich zu Aidan. »Ich werde nicht von deiner Seite weichen, bis wir hier draußen sind. Jeder Einzelne von uns.« Lebendig oder tot. Doch das weiß Aidan auch, ohne dass ich es laut aussprechen muss.
Als ich mich mit meinem Geist ins Anderswo begebe, höre ich, wie Aidan leise aufkeucht. Aber ich achte darauf, nur ein kleines Stückchen hineinzugehen, dann schicke ich einen spinnwebendünnen Bewusstseinsfaden in den Gang hinaus,um dort nach Feinden Ausschau zu halten. Wie es scheint, bin ich in der Lage, mit einem Bein im Anderswo zu stehen und trotzdem einfache Magie zu benutzen. Vielleicht gelingt es mir, auch komplizierte Magie anzuwenden, wenn ich noch mehr Übung habe. Und so die Göttin Zeit es will.
Mein Atem stockt. Vielleicht kann ich die Zeit dazu bringen, stehen zu bleiben, wenn ich den Atem anhalte – mich an einen sicheren Ort zurückziehe. Denn jetzt ist es passiert. Der Albtraum hat begonnen.
Irgendwo in den Stockwerken unter uns sind Magier. Ich spüre ihnen nach und zähle acht … zehn – viel mehr als sonst – durch den Kerker
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