Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Tribut … kein Vieh sollte … und dann erkenne ich ihn: Otter. Seine Augen leuchten triumphierend, als er uns sieht.
»Ergreift sie!«, ruft er und senkt das Schwert. »Lebend!«
Verfluchter Bastard! Ich hatte recht. Otter ist der Verräter.
Ich weiche mit Aidan zurück, aber es ist zu spät. Vier Wächter eilen auf uns zu, ziehen den Erschaffer von mir weg und zerren das wimmernde Kind aus seinen Armen. Aidan schreit und brüllt und wehrt sich mit Händen und Füßen, aber sie sind in der Überzahl, er hat keine Chance. Ich stöhne verzweifelt auf, als sie ihm die Arme nach hinten biegen, bis er vornübergebeugt dasteht und sich nicht mehr rühren kann, und will gerade nach meiner Magie greifen, um sie abzuwehren, aber da stürzt Otter auf mich zu, packt mich an den Schultern und schüttelt mich so heftig, dass sich mir der Kopf dreht.
Und plötzlich wird mir klar: Er hat mich direkt angeschaut, als er den Wächtern befahl, uns zu ergreifen.
Ich bin im Anderswo, aber der Hüter meines Vaters kann mich trotzdem sehen!
»Du musst verdammt noch mal lernen, Befehlen zu gehorchen,Zara!«, knurrt Otter. »Wir können nur hoffen, dass dein törichter Starrsinn uns nicht das Leben kosten wird!«
Ich bekomme kaum etwas von seiner Wut mit, auch nicht von dem unerbittlichen Griff, mit dem er meine Arme festhält. Alles, woran ich denken kann, ist, dass er mich nicht hätte sehen dürfen. Fassungslos starre ich in seine zusammengekniffenen braunen Augen, die meinen Blick aufgebracht erwidern.
»Wir stehen auf derselben Seite, Zara! Diese Männer hören auf meinen Befehl.« Er schüttelt mich erneut, sanft diesmal, als versuchte er, mich wach zu rütteln. »Wir sind Rebellen. Ich bin ein Dieb. Zumindest zur Hälfte. Aber es ist ausreichend. Dein Vater hat keine Kontrolle über mich, hat sie nie gehabt.«
Es kann nicht anders sein, als dass er die Wahrheit sagt. Und plötzlich sehe ich auch, was ich schon längst hätte bemerken müssen – Otter balanciert am äußersten Rand des Anderswo, als würde er auf einer Klinge das Gleichgewicht halten. Es ist eine außergewöhnliche Fähigkeit, eines der Lieblingskunststücke des Wolfshunds und so schwierig, dass nicht einmal Twiss es schafft – zu ihrem großen Verdruss.
Mir wird schwindlig vor Erleichterung, und würden Otters Hände mich nicht immer noch festhalten, würde ich wahrscheinlich zu Boden sinken. Der treue Hüter meines Vaters ist ein Dieb! Flosters Halbling? Aber das würde bedeuten … Mich schaudert bei dem Gedanken, was dies für das Kind bedeutet haben muss, das Otter einst war.
Schließlich erinnert mich das leise Schluchzen von Aidans Lehrling daran, dass der Tod weder in der Vergangenheitnoch in der Zukunft lebt. Er ist im Hier und Jetzt und er ist uns dicht auf den Fersen.
»Es ist alles gut«, rufe ich Aidan zu, der fluchend versucht, sich aus dem Griff der Wächter zu befreien. »Sie sind auf unserer Seite.«
»Zara?« Aidan hört auf, sich zu wehren, und versucht vornübergebeugt aufzuschauen. »Wo bist du? Was ist los?« Er stöhnt vor Schmerzen.
»Lass mich los«, sage ich zu Otter. Als er von mir zurücktritt, gehe ich das Risiko ein, aus dem Anderswo herauszukommen, damit Aidan mich sehen kann. »Und ihn lasst gefälligst auch los!«, rufe ich den Tributen wütend zu.
Sie blicken fragend zu Otter, und geben Aidans Arme erst frei, als er zustimmend nickt. Er taumelt, wilde Verwünschungen ausstoßend, auf mich zu, und ich kann ihn gerade noch rechtzeitig halten, bevor er stürzt. Nachdem er mich einen Moment lang fest an sich gedrückt hat, sieht er zu Otter. »Können wir ihm trauen?« Er klingt benommen und verwirrt.
Plötzlich keucht er entsetzt auf, und seine Finger, die meinen Arm umklammern, graben sich schmerzhaft in mein Fleisch.
»Aidan! Was ist mit dir?«, rufe ich bestürzt, als sein Gesicht sich in Todesqualen verzerrt und seine Augen sich verdrehen. Ich höre, wie Otter flucht. Doch da ist es bereits zu spät.
Oh Götter! Nein! Lasst das nicht zu!
Aidans Züge verkrampfen sich von Neuem, dann wird sein Gesicht auf einmal ausdruckslos und leer.
Als er mich einen Moment später ansieht, blickt mich durch die Augen des Jungen, den ich liebe, mein Vater an.»Zara, mein Kind«, sagt er mit Aidans Stimme. »Willkommen zu Hause.«
Aidans strahlend blaue Augen haben sich in kalte, emotionslose Reptilienaugen verwandelt. Ein unerträglicher Anblick. Ohne darüber nachzudenken, reiße ich mein Knie hoch und ramme es ihm, so
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