Zarias Geheimnis
Getümmel, bis mich die Wölbung der Kuppel verbarg. Dann breitete ich meine Flügel aus und flog in Richtung Galena.
Vielleicht konnte ich Andalonus oder Meteor finden. Aber wie konnten sie mir helfen? Andalonus würde meinen Ärger nur herunterspielen, wenn ich ihm nichtdie ganze Geschichte erzählte, aber ihm die ganze Geschichte zu erzählen, wäre riskant, weil er Geheimnisse nicht gut für sich behalten konnte. Und Meteor würde an allem, was ich seit meinem ersten Besuch zur Erde getan hatte, etwas auszusetzen haben, vor allem daran, dass ich vor meiner ersten Stunde mit meinem Mentor einen fortgeschrittenen Zauber angewandt hatte.
Niedergeschlagen flog ich nach Hause. Doch statt durch die Eingangstür zu gehen, kletterte ich durchs Fenster ins Zimmer meiner Mutter. Ich wollte ihr Zauberbuch weiter studieren.
Als ich ihr Zimmer betrat, wusste ich sofort, dass irgendetwas anders war. Nach außen hin schien alles unverändert. Die Kissen waren so arrangiert, wie ich sie zurückgelassen hatte, und alle Schränke waren ordentlich geschlossen. Aber es hing ein zarter Duft in der Luft.
Lilien.
Ich stürzte sofort zum Schrank, in dem sich das Buch meiner Mutter befand. Er war leer.
Meine Flügel zitterten wie Blütenblätter in einer starken Brise. »Beryl muss es an einen sicheren Ort geräumt haben«, sagte ich mir, ohne wirklich daran zu glauben. »Es kann keinen anderen Grund geben.«
Ich öffnete die Tür. Leise Stimmen drangen zu mir. Ich erkannte Beryls Tonfall und befürchtete, auch Lilys auszumachen. Leise schloss ich die Tür und kletterte durchs Fenster nach draußen.
Als ich durch die Eingangstür kam, erblickte ich Beryl mit Lily Morganit.
Beryl saß zusammengekauert auf ihrem Hochsitz. »Zaria«, sagte sie ausdruckslos, als sie mich sah. »Wir haben Besuch.«
Lily saß kerzengerade auf den abgenutzten Kissen unseres höchsten Hochsitzes, der sich nur eine Flügelspannweite über den Boden erhob.
Sie warf mir einen kühlen Blick zu. »Ich habe deinem Vormund von deinem unhöflichen Verhalten vorhin berichtet.«
»Was machen Sie in Galena?«, platzte ich heraus.
»Unser Gast ist nicht nur Ratsmitglied, sondern auch deine Mentorin«, sagte Beryl. »Sie kann durch die Pforte kommen, wann immer es ihr beliebt.«
»Keine besonders höfliche Begrüßung, Zaria.« Lily blickte wie jemand, der wusste, dass sie von mir nichts anderes erwarten konnte, aber ihre Stimme war zuckersüß. »Frau Danburit hat mir gesagt, es sei ihr unbegreiflich, wie du dich so benehmen konntest. Beweise mir, dass sie recht hat. Entschuldige dich.«
Ich wollte die Frage herausschreien, die mir wie ein wild gewordener Zwerg durch den Kopf ging: Haben Sie das Zauberbuch meiner Mutter gestohlen?
»Na komm«, fuhr Lily fort. »Es ist keine Schande, sich zu entschuldigen, wenn man etwas falsch gemacht hat.«
»Es tut mir leid, Ratsmitglied Morganit …«, setzte ich an.
Ein Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus.
»Es tut mir leid, aber ich möchte Sie nicht als Mentorin.«
Das Lächeln verschwand. Lily kniff die Augen zusammen. »Ich habe zum ersten Mal seit über fünfzig Jahren eingewilligt, jemanden unter meine Fittiche zu nehmen. Du solltest dich geehrt fühlen.« Sie fuhr Beryl an: »Auch wenn Sie nicht wissen konnten, dass Sie eine violette Elfe aufziehen, Frau Danburit, hätten Sie Zaria bessere Manieren beibringen sollen.«
»Aber …«, wandte Beryl ein.
»In Ihrer Obhut scheint sie zu glauben, sie könne tun und lassen, was sie will«, sagte Lily und drohte Beryl mit dem Finger. »Wie ich sehe, werde ich sie erziehen müssen. Und so leid es mir tut, aber ich werde die anderen Ratsmitglieder von diesem eigensinnigen Kind unterrichten müssen.«
Beryl fing an zu stammeln. »Warum müssen … den Rat unterrichten … das können Sie nicht …«
»Und ob ich das kann«, erwiderte Lily mit einem eisigen Lächeln und erhob sich. Sie flatterte zu mir herüber und hielt ihr Gesicht nah an meines. »Vergiss nicht, dass ich dich dafür bestrafen kann, wenn du mit jemand anderem als mir über dein Zauberbuch sprichst.«
Ich war kurz davor, hinauszuschreien, dass sie eine Lügnerin war und mich aus keinem guten Grund mit einem Zauber belegt hatte und ich sie nie wieder in meine Nähe lassen würde. Aber ich hielt den Mund.
Ich sah ihr nach, als sie ging. Sie hatte eine pinkfarbene Tasche bei sich, die in der Größe und Form des Zauberbuchs meiner Mutter ausgebeult war.
Vor fünf Jahren hatte ich meine Mutter
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