Zarias Geheimnis
vergangenen Jahrhunderten ist, weil heutzutage weniger Radia zur Verfügung stehen. Mittlerweile gibt es viel zu viele rote Elfen, während die anderen Farben nicht mehr ausreichend vertreten sind.« Ein Regenbogenschmetterling sauste über ihr Gesicht.
»Warum?«, fragte ich. »Warum gibt es jetzt mehr rote Elfen als früher?«
Sie breitete die Hände aus. »Das weiß niemand so genau. Aber wir befinden uns in einer gefährlichen Lage. Seit Kurzem ist es unmöglich geworden, alle dauerhaften Zauber zu erneuern, die eine Radia-Auffrischung benötigen. Manche stehen kurz davor, ihre Wirkung zu verlieren .« Sie schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Aber du, Zaria, kannst mit deinen großen Radia-Vorräten Abhilfe schaffen. Du bist für die Zukunft unserer Welt von größter Bedeutung.«
Tief in mir fing eine Sirene an zu heulen. »Ich will nicht bedeutsam sein.«
Sie lachte. »Du bist bedeutsam, ob es dir nun gefällt oder nicht.«
Da ich ihr Lachen nicht ausstehen konnte, versuchte ich schnell das Thema zu wechseln. »Ich habe eine Frage an Sie«, sagte ich plötzlich. »Als meine Mentorin.«
»Sprich.« Sie strich den Spitzenkragen an ihrem Ausschnitt glatt.
»Was passiert mit Menschen, die jemandem aus dem Elfenvolk Schaden zufügen?«
Lily schwieg mehrere Augenblicke verärgert, bevor sie antwortete. »Geht es um deine Familie, Zaria?«
Ihre Worte trafen mich wie ein Eisenstachel. »Meine Familie?«
»Du hast doch bestimmt gehört, dass deine Familie verschwunden ist, nachdem sie durch ein Portal auf die Erde gereist ist?«
Mir blieben die Worte im Hals stecken.
»Du möchtest alles darüber erfahren«, sagte Lily. »Natürlich möchtest du das. Und ich kann es dir erzählen, Zaria. Die ganze Geschichte. Aber erst, wenn wir uns gegenseitig vertrauen.«
Ich wollte losschreien, dass ich ihr nie vertrauen würde, niemals, um nichts in der Welt. Aber sie hatte nur allzu recht damit, dass ich alles über meine Familie erfahren wollte. Meine Entschlossenheit fing an zu schwinden.
»Vertrauen basiert auf Ehrlichkeit«, fuhr sie fort. »Wenn du mir erlaubst, den Enthüllungszauber anzuwenden, können wir anfangen, diese Basis aufzubauen.«
Ich grub die Zehen in den dichten gelben Teppich. »Nicht heute«, presste ich hervor. »Noch nicht.«
Als mich Lily aus der Stunde entließ, hatte sich in der Zwischenzeit eine Menge im Hof versammelt. Sie hoffte wohl, Leona zu sehen. Gut. Das bedeutete, dass sie noch nicht zur Erde aufgebrochen war.
Ich sauste zu den Galena-Fällen. Unsichtbar postierte ich mich am Zinnien-Portal. Ob sie es wollte oder nicht, ich würde Leona begleiten.
Als sich die Blumen des Zinnien-Portals bewegten, obwohl kein Wind wehte, wusste ich, dass Leona gerade genauso unsichtbar wie ich hindurchging. Leona, die unterwegs zur Erde war, um sich an Jason Court zu rächen.
Ich ging ihr hinterher und schwebte über der vertrauten Anhöhe. Aus Gewohnheit blickte ich zum Wäldchen hinauf. Dort sah ich eine einsame menschliche Gestalt, die neben der hoch aufragenden Blaufichte auf und ab schritt. Sonnenlicht fing sich in rotgoldenem Haar.
Sam.
Mein Flügelschlag beschleunigte sich. Was, wenn Leona ihn als Jasons Freund wiedererkannte?
Ich flog, so schnell ich konnte, aber nicht schnell genug. Noch bevor ich das Wäldchen erreichte, wurde Leona direkt vor Sam wieder sichtbar. Sie bot einen unglaublichen Anblick: eine zornige Elfe mit schimmernden Flügeln, schwarzen Haaren, die ihr über die Schultern fielen, und silbrigen Augen, die Funken sprühten, dunkel wie eine sternenlose Nacht.
Leona und Sam starrten aneinander an, als ich näher heranflog. Sam riss die Augen weit auf.
»Wo ist dein Freund?«, fragte Leona.
Er schien wie gelähmt vor Entsetzen.
»Wo ist Jason?«
»Bitte«, sagte Sam. »Geh ihm aus dem Weg.«
»Wo?« Sie holte ihren prunkvollen Zauberstab hervor. Die blauen Sterne daran funkelten zornig.
Warum rannte er nicht weg? Aber wohin sollte er auch rennen, wohin sie ihm nicht folgen konnte?
Leona berührte seinen Kopf mit ihrem Zauberstab. »Enjorum es explia.« Sie verzog den Mund zu einem fieberhaften Grinsen. »Wo ist Jason?«, wiederholte sie.
Jeglicher Gefühlsausdruck wich aus Sams Miene. »Ich glaube, er ist zu Hause«, antwortete er. »Er hat mich gefragt, ob ich rüberkomme, und ich habe Ja gesagt, bin dann aber nicht gegangen. Er wartet wahrscheinlich gerade auf mich.«
Sie schwenkte ihren Zauberstab. »Dos elemen restora.«
Mit einem Schlag trat ein
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