Zarias Geheimnis
entgegen. »Mann, du setzt noch die ganze Anhöhe in Brand!«
»Komm raus, komm raus, wo auch immer du steckst«, rief Jason, ohne auf Sam zu achten. Ein weiterer roter Lichtstrahl sprengte die Luft knapp über meinem Kopf.
»Hör auf!«, schrie Sam.
In diesem Augenblick wünschte ich mir, ich wäre auf die andere Seite der Anhöhe geflogen. Ich wünschte mir, ich hätte mich beruhigt und das Portal im Auge behalten.
Aber Angst war kein guter Ratgeber, und das traf auch auf mich zu. Die roten Lichtblitze hatten mich in Angst und Schrecken versetzt, und ich konnte an nichts anderes denken, als zu entkommen.
Ich musste Leona vor Jasons Waffe warnen, aber wo steckte sie? Noch vor ein paar Tagen hätte ich es gewusst. Jetzt nicht mehr.
Im Flug wurde ich auf einmal wieder sichtbar. Ich sauste durch die Pforte von Galena in Richtung der EOM-Kuppel. Auch wenn Leona offenbar ihre Meinung, was ihre Bewunderer anging, geändert hatte, war es doch möglich, dass sie im Hof eine weitere Menge in Entzücken versetzte.
Sie war nicht da. Mehrere Zwerge fegten die Marmorplatten. Einige Elfen schwebten in der Nähe der hinteren Gärten in der Luft, andere lungerten auf Bänken neben einem der Springbrunnen herum.
Zähneknirschend tauchte ich in Richtung der Smaragdkuppel ab, in der die Königliche Bibliothek untergebracht war. Dort würde ich Meteor hoffentlich finden – und vielleicht würde er mir sagen können, wo Leona war. Die Türen der Bibliothek waren aus Kristall und mit Gold verbrämt. Im Lesesaal erhoben sich wahllos aufeinandergetürmte Metallregale. Hatten sie diesen Ort als Testparcours für die Flugkünste der Studenten angelegt? Ich hatte Angst, gegen einen der schwankenden Türme zu prallen. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie langsam in sich zusammenfielen, Regale lärmend zu Boden krachten und moderige Ladungen Bücher auf den Steinboden knallten.
Ich bewegte mich so leise wie möglich durch die Bibliothek, während ich nach Meteor Ausschau hielt. Meine Suche war nur von kurzer Dauer; die weißen Streifen inseinem schwarzen Haar hoben sich gegen das rote Kissen ab, an das er lehnte. Sein dunkles Gesicht war zur Hälfte hinter einem Buch versteckt. Neben ihm räkelte sich Portia Peridot mit grünen, ausgefächerten Flügeln, um deren schimmernde Pracht zur Schau zu stellen. Sie sah aus, als posierte sie für eine Illustration in einem Märchen der Menschen.
Obwohl Portia mich sehr wohl gesehen hatte, tat sie so, als wäre ich Luft. Meteor war immer noch in sein Buch vertieft.
»Meteor«, flüsterte ich.
Er blickte auf. Seine Augenbrauen zogen sich zu einem vernichtenden Stirnrunzeln zusammen.
»Hast du Leona gesehen?«
Er blätterte eine Seite um und beachtete mich nicht weiter.
»Meteor! Bitte. Sag mir, ob du sie gesehen hast?«
»Nein, hab ich nicht.«
Ich wandte mich ab. Tränen verschleierten meinen Blick. In den vielen Jahren, seit wir befreundet waren, hatten wir uns schon oft gestritten, aber Meteor hatte mich nie so abweisend angesehen.
Draußen erhob ich mich in die Luft und fragte alle, denen ich begegnete, ob sie vielleicht wüssten, wo Leona, die berühmte violette Elfe, zu finden sei. Alle hatten von ihr gehört, aber niemand wusste, wo sie war. Leona war wohl tatsächlich ihres Ruhmes überdrüssig geworden, wie sie mir am Vortag erzählt hatte, als sie sagte, sie wünschte, sie könnte sich in einen Schatten verwandeln.
Versteckte sie sich mit einem Unsichtbarkeitszauber? War sie zur Erde geflogen, um ihren Bewunderern zu entfliehen?
Ich musste sie finden und sie davor warnen, sich allein dem Portal in Galena zu nähern. Gemeinsam konnten wir Jason die Waffe dann abnehmen.
Ich flog zurück nach Galena. Ich stand neben der Säule an der Pforte, bis die Abenddämmerung zur Nacht geworden war, und wartete auf Leona. Sie tauchte nicht auf. Meteor kam mit Portia und Andalonus durch die Pforte, von Leona jedoch weiterhin keine Spur.
Kurz bevor ich zu Hause ankam, saturierte ich meinen Zauberstab in der Dunkelheit. »Ich, Zaria Turmalin, bin heute Abend und morgen vor allen Zaubern sicher.«
Ich ging hinein und fürchtete mich vor dem, was ich vorfinden würde. Wie würde Beryl mich empfangen? Welche Leere würde in ihren Augen liegen? Würde sie den besorgten Vormund spielen – oder jemand anderen?
Aber Beryl war nicht da. Ich suchte im ganzen Haus nach ihr. Als ich mir sicher war, dass sie ausgegangen war, schlich ich in mein Zimmer. Mein Nest sah einladend aus, doch ich
Weitere Kostenlose Bücher