Zarias Sehnsucht
Elfenland.«
Magie strömte durch meinen Zauberstab. Als ich die Hand gegen die Mauer hielt, spürte ich keinen Widerstand; es war, als wäre die Wand gar nicht da.
Ich habe es geschafft!
»Versehe dieses Portal mit einer Schranke, damit kein Mensch es finden kann.«
Ich musste diesen Zauber aussprechen. Sam besaß ausreichend Magie, um durch ein Portal zu gehen. Er hatte es schon einmal getan. Er durfte nicht wieder nach Elfenland gelangen.
»Auf Wiedersehen«, flüsterte ich der Wand zu. Und trat hindurch.
Auf der anderen Seite des Portals befand sich eine hügelige Landschaft, wo mir das Gras bis zur Hüfte ging und der Wind mir Düfte zutrug, die ich noch nie zuvor gerochen hatte. Köstliche Gerüche, die mich an Salbei und Rosmarin erinnerten.
Ich stieg auf die Kuppe eines Bergs und suchte den Horizont ab, konnte jedoch keine Gebäude entdecken, nur noch mehr Hügel, die mit hohen Gräsern bedeckt waren. Ich ließ mich treiben und fühlte mich dabei wie ein gefiederter Samen.
Ich hatte gesagt, das Portal solle in eine entlegene GegendElfenlands führen, hätte aber genauere Angaben machen müssen. Wo war ich? Was war, wenn ich in der Nähe des Trollreichs gelandet war?
Ich wandte mich ab, um zurückzugehen. Ich hätte das Portal kennzeichnen sollen. Warum hatte ich es nicht getan? Jetzt liefen die wehenden Gräser alle zu einer formlosen Masse zusammen. Da war nichts, was mir hätte anzeigen können, welchen der Hügel, die um mich herum aufragten, ich zuerst erblickt hatte.
Ich blieb in der Luft stehen, während ich meinen dreckverschmierten Rock umklammerte und mich fragte, wohin ich gehen sollte.
»Allooo?«, rief eine zwitschernde Stimme.
Ich wirbelte herum und entdeckte ein weibliches Wesen, das ungefähr so groß war wie ich und sich sanft im Wind wiegte. Ihre Arme waren so grün wir das Gras um sie herum, und sie hatte rosarotes Haar. Sie betrachtete mich mit Augen, die ihre Farbe von einem Blauton zum nächsten veränderten, genau wie Wasser. Glückliche Augen.
»Hast du dich verirrt?«, trällerte sie. »Verirrt, verirrt?«
»Ja«, erwiderte ich. »Kannst du mir sagen, wie ich nach Oberon-Stadt komme?«
Lächelnd winkte sie mir zu. »Folge mir, folge mir.«
Sie drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch das Gras. Obwohl sie nicht flog, war sie sehr schnell. Aus irgendeinem Grund war mir in diesem Moment nur wichtig, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Ich schlug kräftig mit den Flügeln, um mit ihr mitzuhalten, während sie mich über die Hügel führte. Hin und wieder winkte sie mir zu und zeigte nach vorne.
Nach einer Weile drang Musik an mein Ohr. Flöten, Leiern und Trommeln und ein vielstimmiger Gesang. Wie ausgelassen die Stimmen klangen, wie unbekümmert. Bei ihrem Klang wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mit einzustimmen.
Als ich an einem weiteren Hügel vorbeiflog, erblickte ich unter mir eine weite, flache Wiese, auf der sich überall Gestalten hin und her wiegten, verbogen und drehten. Ihre bunten Köpfe sahen aus wie tanzende Blumen. Musik erschallte aus Dutzenden Instrumenten und vermischte sich mit den Stimmen.
Da wusste ich auf einmal, wo ich war. Wichtelungen, dem Land der Wichtel.
Allen jungen Elfen schärfte man ein, sich von Wichtelungen fernzuhalten. Man hatte mich immer wieder davor gewarnt, was mich erwartete, sollte ich je von Wichteln getäuscht werden, denn diese Wesen nutzten jede Gelegenheit, um Reisende in die Irre zu führen.
Und ich hatte mich von einer Wichtelfrau hierher locken lassen.
Das Portal hatte mich wohl direkt an die Grenze zu Wichtelungen geführt. Jetzt hatte ich mich hoffnungslos verirrt und war noch orientierungsloser als vor meiner Begegnung mit meiner sogenannten Führerin, die mir eigentlich den Weg nach Oberon-Stadt weisen sollte.
Die Trommeln hämmerten mir angenehm rhythmisch in den Ohren, während mir ein undefinierbarer Duft die Sinne vernebelte. Ich wünschte, die Musik würde für einen Augenblick aufhören, nur so lange, bis ich mich wieder zurechtfand.
Aber sie spielte weiter, wurde lauter und vereinnahmte mich. Ein funkelnder Schild bildete sich um mich herum, schirmte mich vor all meinem Kummer ab und linderte meine Sorgen. Ich machte jetzt Wörter in der Melodie aus:
Der Tanz wird dich tragen,
er atmet und liebt dich …
Ich schwebte zu Boden, und die Wichtelfrau, die mich hierher geführt hatte, eilte an meine Seite.
»Tanz, liebe Elfe, tanz in der Luft«, sang sie, während sich ihre Stimme mit der
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