Zarin der Vampire: Blut der Sünde. Horror-Mystery-Thriller (German Edition)
an einem Hämatom starb, zu groß. Die Angst und Entbehrungen erschwerten seine Genesung zusätzlich. Wie sollte ein Vierzehnjähriger diese Bedrohungen alle verstehen?
„ Das bildest du dir nur ein“, lenkte Papa ihn ab.
„ Er ist immer etwas übellaunig!“
„ Ich lese heute freiwillig“, bot Tatjana sich an.
Sie wollte sich immer etwas hervortun. Ich hatte mich damit abgefunden. Es gab heutzutage wahrlich Wichtigeres als die Rangordnung unter Geschwistern.
Papa hatte mich als Älteste immer etwas bevorzugt. Außerdem gab es zwischen mir und ihm ein ganz besonderes Band. Wir waren so etwas wie Seelenverwandte und verstanden uns auch ohne Worte. Mama hielt mir deswegen manchmal vor, ich liebe ihn mehr. Das war aber nicht so. Es war eine andere Liebe.
Die Not und die Ängste der Verbannung hatten uns noch mehr verbunden. Papa ließ das Tatjana aber nicht merken. Oft schauten er und ich uns nur an und wir sahen alle Gedanken im Gesicht des anderen. Das bedurfte keiner Worte mehr. Dann traten Tränen in unsere Augen. Wir verbargen diese jedoch voreinander.
Tatjana ging in ihr Zimmer, um die Bücher zu holen. Wir saßen wortlos und warteten.
Plötzlich hörten wir dumpfen Kanonendonner. Erschrocken blickten wir zum weiß getünchten Fenster, allerdings konnte man nicht hinaussehen.
Mama wirkte aufgeregt. In Papas Gesicht spiegelten sich Hoffnung als auch Sorgen wider.
„ Was bedeutet das?“, wagte Anastasija zu fragen.
„ Die Front rückt näher“, erklärte Papa. „Still!“
Weiterer Donner drang an unser Ohr.
„ Kam das von der anderen Seite?“, fragte Mama mit großen Augen.
Jetzt wirkte auch Papa nervös. Dies übertrug sich natürlich auf uns.
„ Ich glaube, ja“, murmelte er, auf weitere Böller lauschend.
„ Es kommt von drei Seiten.
Sie schließen die Stadt ein!“
Die Röte des Gesichtes zeigte seine Erregung.
Tatjana trat ein. Sie hatte mehrere Bücher dabei. Ich erkannte die Buchrücken. Die Werke hatte uns Mama geschenkt. Es waren „Das Leben und die Wunder des Heiligen Gerechten Symeon von Werknjaja Tura“ und „Der Trost im Tode derer, die unseren Herzen nahe sind.“
Zum Glück hatte sie nicht das langweilige Buch „Die Wohltaten der Gottesmutter an die Menschheit durch ihre heiligen Ikonen“ mitgebracht. Das war eines der besten Schlafmittel und passte nicht zur jetzigen Stimmung.
„ Habt ihr das auch gehört?“, stieß sie beim Eintreten hervor.
Sie ging barfuß, da sie wegen ihrer Spreizfüße keine Schuhe mochte. Mama sah das nicht so gern, da sie es unwürdig fand. Hier im Ipatjew-Haus hatte sie ihren Protest jedoch aufgegeben, da sie sich mit unserem Niedergang abgefunden hatte.
„ Wir sind doch nicht taub!“, erklärte Alexej stolz.
Wir lachten. So ausgelassen war die Stimmung schon lange nicht gewesen. Hoffnung erfüllte endlich wieder unsere Herzen.
„ Ragoldo Gaja“, flüsterte ich.
Niemand durfte diesen Namen laut aussprechen. Papa und Mama erröteten und sahen vorsichtig zur Tür.
General Radola Gajda war der erfolgreiche charismatische Führer der Tschechischen Legionen und nun unsere letzte Hoffnung. Der Bürgerkrieg hatte auch den Ural erreicht. Es schien so, als würde es den Angreifern gelingen, Jekaterinburg zu befreien. Sie attackierten nun die Stadt. Das war gewagt.
Mit diesem unerwarteten und schnellen Vorstoß hatten die Bolschewiken und auch wir nicht gerechnet. Die Revolutionäre glaubten immer als besser zu wissen und hatten ihren Gegner unterschätzt.
Durch den Frieden mit den Deutschen und deren Eroberung der Ukraine waren die Versorgungswege nach Zentralrussland erheblich gestört. Die Bolschewiken wollten die Tschechische Legion entwaffnen, da die Deutschen das forderten. Die Entente wollte dagegen die Tschechen ausschiffen und nun gegen die Deutschen und Österreicher in den Krieg ziehen lassen.
Als diese sich weigerten, die Waffen abzugeben, beschlossen die Rotarmisten alle Verweigerer zu erschießen. In einem Sturm der Entrüstung erhoben sich darauf die kriegserfahrenen tschechischen Einheiten und schmetterten ihre weniger erprobten Gegner nieder. Tschechen und Weißgardisten hatten sich verbündet und kämpften nun gemeinsam. Niemand hatte das bis vor Kurzem für möglich erachtet.
Mama meinte, nur unsere Gebete hätten Gott dazu bewegt. Wir sollten umso eifriger beten. Vielleicht würden wir doch noch die ersehnte Freiheit erlangen.
„ Wird er es schaffen?“, fragte Alexej mit kindlicher Freude.
Wir sahen Vater
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