Zarin der Vampire: Blut der Sünde. Horror-Mystery-Thriller (German Edition)
an. Er war der einzige militärische Experte.
„ Unsere Bewacher sind sehr nervös. Einige werden freundlicher, als wenn sie sich mit uns gut stellen wollten. Das spricht für eine einschneidende Veränderung.“
„ Aus welchen Himmelsrichtungen kommt der Donner?“ Mama wollte es genau wissen. Ich wusste, worauf ihre Frage zielte.
„ Auch aus dem Westen“, antwortete Papa.
„ Sie kreisen die Stadt ein und unterbrechen die Versorgungswege. Es sieht nicht gut für die Roten aus!“
Mama lief feuerrot an.
„ Was bedeutet das für uns?“ Maria verstand die Zusammenhänge nicht.
„ Das heißt, dass ihre Nachschublinien unterbrochen sind und sie uns nicht nach Westen abschieben können“, erklärte ich.
Ljoschka sah Papa eindringlich an.
„ Papa, ich will, dass du mit uns das Land verlässt, wenn wir befreit werden! Du sagst doch, ich wäre nun der Zar. Ich befehle es dir!“
Papa schaute Alexej mit Tränen in den Augen und voller Liebe entgegen.
„ Ich weiß, es war falsch, zu bleiben. Verzeiht mir! Diesmal komme ich mit. Es soll nicht an mir scheitern. Russland will uns nicht mehr. Ich verspreche es, wir gehen!“
Wir alle konnten die Tränen der Freude nicht mehr halten und fielen uns weinend in die Arme. Zum Glück sah uns niemand von den Bewachern.
„ Olga hat gesagt, dass sie Radola Gajda heiraten will, wenn er uns befreit“, verriet mich Tatjana.
Alle lachten.
„ Meinetwegen auch das!“, lachte Papa mit. „Da gibt es Schlimmeres!“
„ Ich nehme dich beim Wort!“, sagte ich ernst.
„ Ich weiß“, erwiderte Papa.
Mama schwieg, sie dachte wohl wirklich darüber nach.
„ Vielleicht sehen wir Oma wieder?“, murmelte Alexej. Er hing sehr an ihr. Sie war als Einzige von unserer Familie in Sicherheit. Sie hielt sich in der von den Deutschen besetzten Ukraine auf.
„ Lasst uns still beten“, schlug Mama vor. „Ihr wisst, wofür!“
Wir alle begannen inbrünstig und leise zu beten. In diesem Moment öffnete sich die Tür. Kommandant Jurowski kam herein und musterte uns. Er wollte wohl wissen, wie wir den sich nähernden Kanonendonner aufnahmen. Als er sah, dass wir wie üblich still beteten, schloss er zufrieden die Tür.
„ Fang an, Tatjana“, forderte meine Mutter sie auf, als wir unsere Gebete abgeschossen hatten.
Tatjana wählte nun das hoffnungsvollste der Bücher und begann uns daraus vorzulesen.
Unsere Gedanken folgten aber kaum dem Text, sondern wir lauschten nach draußen. Es erschien so, als wurde der Donner wirklich lauter. Vereinzelt hörte man auch weit entfernte Schüsse.
Da Mama merkte, dass wir nicht so recht bei der Sache waren, schickte sie uns fort.
„ Geht heute etwas früher auf eure Zimmer. Nicky und ich wollen noch etwas unter uns sein und Karten spielen.“
Wir wussten, dass Mama solche Gelegenheiten nutzte, um in entspannter Atmosphäre über wichtige Dinge zu sprechen. Diese waren nicht für unsere „Kinderohren“ bestimmt.
War ich nicht längst erwachsen?
Papa erhob sich und umarmte jeden von uns. Als er mich küsste, flüsterte er mir etwas ins Ohr.
„ Denk an den Wolf in der Ecke!“
Nur mir gab er diese Warnung.
Daran hatte ich in meiner Euphorie noch nicht gedacht. Ein in die Ecke getriebener Wolf ist besonders gefährlich. Die Bolschewiki würden uns töten, bevor sie eine Befreiung zuließen. Das hatte Papa mir mit dem Gleichnis mitteilen wollen. Meine Hoffnung brach weg wie das Holz eines morschen Dachbodens. Für einen Moment wurde mir schwindelig und mein Herz zog sich schmerzhaft und eisig zusammen. Es war dieses Gefühl, als hätte man Schwindel und fiel gleichzeitig in ein unendliches Loch.
Alle anderen lächelte Papa an, als müssten sie nichts fürchten. Doch ich wusste, dass seine Sorgen groß wie noch nie waren und er voller Anspannung war.
Würden es unsere Bewacher zulassen, dass man uns befreite? Angst schnürte meinen Hals zu. Ich konnte aber mit niemandem darüber sprechen. Meine Geschwister waren so glücklich und hoffnungsvoll. Wie schwer musste diese Last für Papa sein?
Nachdem unsere Eltern ihr Kartenspiel beendet hatten, las Tatjana mit Mama vor dem Schlafen noch aus dem Buch des Propheten Amos. Ich blieb sorgenvoll im Bett, konnte jedoch nicht einschlafen. Immer wieder lauschte ich angstvoll dem Kanonendonner.
Zarenmord im Ipatjew Haus
Seit zwei Wochen hatte Jakow Michailowitsch Jurowski hier das Sagen.
Er war von Alexander Beloborodow, dem Vorsitzenden des Uraler Gebietssowjets,
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