Zarin der Vampire: Blut der Sünde. Horror-Mystery-Thriller (German Edition)
zum Kommandanten ernannt worden.
Mama sagte, dass wir von ihm das Schlimmste zu befürchten hatten. Um seine Wurzeln zu vertuschen, wäre er in Deutschland vom Judentum zum Protestantismus übergetreten und dann noch Bolschewik geworden.
Gleich einen Tag nach seiner Ankunft zwang er uns, sämtlichen Schmuck abzugeben. Jedes einzelne Stück, das wir trugen, ließ er sich vorlegen, notierte es akribisch und legte es in einen versiegelten Umschlag. Er wollte ihn angeblich für uns aufbewahren und prüfe jeden Tag das Siegel.
Doch ich konnte das nicht so recht glauben. Der entscheidende Moment schien näher zu rücken.
Heute wurden wir plötzlich kurz nach Mitternacht geweckt und mussten alle in das große Eckzimmer neben der Vorratskammer im Keller gehen. Durch den nahenden Kanonendonner und Papas Warnung hatte ich sehr schlecht geschlafen. Im Flur stand eine Gruppe von mit Karabinern bewaffneten Soldaten. Einige von ihnen trugen die ungarische Uniform, verziert mit Rotgardisten-Abzeichen. Sie blickten uns teilnahmslos an. Die anderen in der russischen Uniform schauten weg. Unter ihnen war auch Pawel Medwedew, der als zweiter Mann nach Jurowski das Sagen hatte. Ich hatte ihm gestern noch ein Stück Kuchen angeboten.
Auf Papas Frage, was das hier solle, sagte Medwedew uns, das sei nur zu unserer Sicherheit, da mit einem Angriff zu rechnen wäre. Er grinste dabei merkwürdig und meinte, man werde uns wohl verlegen müssen.
Mama drückte mir eine Ampulle in die Hand und sah mich bedeutungsvoll an. Ich wusste, was das bedeutete, und schaute erschrocken zurück. War es tatsächlich so weit? Mein Herz setzte einen Schlag aus.
Sie lächelte, um mir Mut zu machen. Dies ließ keinen Zweifel zu. Mir wurde eisig kalt und meine Hände zitterten unkontrollierbar. Fast entglitt mir die Ampulle.
Doktor Botkin, der Leibarzt, hatte die drei Diener geweckt und kam mit ihnen herunter. Nur der neue Kammerdiener Leonid Sednew war nicht dabei, er hatte gestern noch Ausgang bekommen.
Papa trug Ljoschka auf den Armen, da man hier mit dem Rollstuhl schlecht hinkam. Sie hatten beide Uniformhemden an und ungewöhnlicherweise eine Fellmütze auf dem Kopf. Unser Vater war offensichtlich in Sorge, dass wir nach draußen gebracht würden und sich der kleine Zarewitsch erkältete.
Wir Mädchen hatten unsere Mieder und Kleider angezogen. Mama hatte zwar Tränen in den Augen, schluchzte aber nicht. Diese Genugtuung wollte sie ihren Feinden nicht geben.
Der Zarewitsch lehnte nun bleich und erschöpft seinen Kopf an ihre Brust. Sie riss sich jedoch zusammen und bat um Stühle, da Ljoschka nicht stehen konnte. Die Krankheit, der Sturz und die Entbehrungen der letzten Zeit waren für unser aller Liebling zu schwer gewesen.
Man brachte tatsächlich zwei Stühle herbei.
Ich wusste, dass Mama unseren Tod erwartete.
Scheinbar wollte man uns aber nicht wegbringen, wie sie befürchtete.
Die gläserne Ampulle fühlte sich äußerst kühl in meinen Händen an.
Papa versuchte ebenfalls tapfer zu erscheinen. Als letzter Zar und als Familienoberhaupt wollte er uns immer noch Mut machen und ein Vorbild sein. Als guter Christ bekreuzigte er sich und murmelte Gebete, doch was nutzte das? Hätte er doch nur die Angebote des deutschen Kaisers angenommen. Ich habe daraus gelernt, dass Stolz uns nur im Wege steht und blind macht. Darum sollte man nicht sagen, man sei auf etwas stolz. Genauso gut könnte man feststellen, man sei dumm und dazu noch überheblich.
Trotz all der Aufregung hatte er offensichtlich bemerkt, dass Mama mir das Blut gegeben hatte. Er missbilligte das, überließ alles aber wie so oft seinem Lauf. Was sollte er auch sonst tun?
Unser Hausarzt, Dr. Jewgeni Botkin, stand neben Papa. Trotz der Kühle des Kellers rann Schweiß von seiner Stirn. Seine wenigen Haare klebten von seinem Angstschweiß. Er nestelte fortwährend nervös an seiner runden Brille. Etwas hinter dem Doktor und Papa stand unser Koch. Ich befand mich ganz hinten in der Ecke neben der Kammerfrau, die ein Kissen bei sich trug. Rechts vor mir stand Maria. Ich hatte alle im Blick. Anna Demidowa, so hieß unsere Kammerfrau, hatte Mama das Kissen für Ljoschka angeboten, doch diese hatte es abgelehnt. Sie wollte ihn nicht von ihrer Brust lassen.
Meine Schwestern Anastasija und Tatjana standen hinter Mama. Ich selbst hatte mich mit dem Rücken zum rundlichen Kamin hingestellt, der sich unmittelbar hinter mir in der Zimmerecke befand.
In der Ferne hörten wir den
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