Zarin der Vampire: Blut der Sünde. Horror-Mystery-Thriller (German Edition)
oder war ich inzwischen auf der anderen Seite des Lebens angekommen und bereits tot?
Mir war immer noch sehr, sehr kalt. Doch mein Gehör funktionierte auf ungewöhnliche Weise gut. Dadurch gelang es mir, einen ersten Überblick zu gewinnen. Das Tuckern musste von einem Auto sein. Wir befanden uns wohl auf einem Lastwagen.
Von einem Moment auf den anderen war auch mein Geruchsempfinden da. Es war stärker als zuvor und etwas verändert. Jedoch erkannte ich den Geruch von Blut, unserem Blut!
„ Habt ihr auch wirklich allen Schmuck abgeliefert?“, hörte ich die misstrauische Stimme eines Mannes. „Ich traue euch Pack nicht!“
Es war die Stimme unseres Peinigers.
Hass floss durch meinen Körper und belebte diesen. Voller rasender Wut hatte ich das Verlangen, ihn anzuspringen und meine Zähne in sein Fleisch zu bohren. Ich wollte ihm das Herz aus dem Leib fetzen!
Doch ich war versteinert und zu keiner Bewegung fähig. Dies vergrößerte mein Entsetzen.
Kalte Angst bemächtigte sich meiner. Sie wandelte sich kurz darauf in noch größere Raserei, doch es nutzte nichts. Diese Handlungsunfähigkeit ließ mich nur langsam meinen Verstand wiedergewinnen. Ich sollte logisch vorgehen und mich nicht von blinder Wut treiben lassen.
Es gab nur folgende Möglichkeiten: Ich hatte vielleicht doch überlebt und war durch die Verletzungen blind und gelähmt. Dann würde ich offensichtlich noch sterben. Aber das dürfte bei der Gründlichkeit der Mörder und der Vielzahl meiner Verletzungen unwahrscheinlich sein.
Eventuell war ich zu einem Geist geworden. Dagegen sprach jedoch, dass ich immer noch auf menschenähnliche Art dachte, hörte und roch. Die letzte Möglichkeit erschien mir deswegen am zutreffendsten. Das Blut des Vampirs aus der geheimen Schatzkammer war echt und wirkte tatsächlich. Mama hatte wie so oft Recht behalten. Die Jahrhunderte hatten der Kraft des bösen Nektars nicht geschadet.
Oh, jetzt spürte ich etwas! Meine Haut erfühlte die Kühle und Feuchtigkeit der Umgebung. Alles war nass.
Ein rasender Schmerz durchtobte in meinem Körper. Ich spürte den Schmerz der blutenden Wunden und plötzlich einen langsamen, leichten Schlag meines Herzens. Das wenige Blut wurde durch die Adern gepumpt. Es schlug scheinbar wieder.
In der Ferne hörte ich Schüsse und Granatexplosionen.
„ Die Front rückt näher! Wann sind wir endlich beim Schacht?“, grummelte ein Begleiter unserer Fahrt.
Ich konnte nur vermuten, dass sie neben uns saßen. Der Wagen kutschierte die leblose Fracht zum geplanten Grab. Die Angst machte mir zu schaffen. Gleichzeitig empfand ich selbst Mordsucht. Ich zwang mich zur Beherrschung.
„ Die weißen Banditen schließen scheinbar den Ring um Jekaterinburg“, hörte ich Jurowski nervös sagen.
„ Sie kommen jedoch zu spät! Die Zarenbagage ist tot!“
„ Das kann für uns aber böse enden“, wandte einer der Soldaten ein.
„ Keiner wird es erfahren! Wir schmeißen sie in den Schacht und sprengen diesen, da findet sie niemand mehr! Dann machen wir uns davon. Jekaterinburg wird aufgegeben.“
Ich spürte das Ruckeln des Wagens deutlich. Mehr und mehr meiner Sinneswahrnehmungen kehrten zurück und ließen mich die Situation immer besser erfassen. Doch noch immer waren meine Muskeln gelähmt. Würde sie noch erstarken? Konnte ich mich überhaupt befreien, wenn sie mich vergruben?
Wir waren wohl angekommen, weil der Lastwagen hielt. Ich konnte immer noch nicht sehen.
„ Schmeißt das Gesindel in die Grube!“ befahl Jurowski.
„ Sollen die Ratten ein Festmahl bekommen!“, höhnte Medwedew.
Ich fühlte, wie jemand von meiner Seite genommen wurde, konnte aber nicht sehen, wer es war. Die Rotgardisten trugen die Leiche davon.
Mir war so unendlich kalt!
Sie holten einen weiteren Toten ab. Sollte ich nun unter einer Ladung Erde mein Ende finden? Trotz meines eigenwilligen Zustandes empfand ich Furcht und wollte nicht begraben werden.
War ich nicht schon gestorben? Konnte das ein Traum oder das Delirium des Todes sein?
„ Macht schnell!“, hetzte Jurowski seine Männer.
„ Die Schüsse kommen immer näher. Die Front scheint aufzubrechen!“
Jetzt war ich an der Reihe. Ich roch den Gestank meiner Peiniger, ihren Schweiß, den Geruch des billigen Tabaks und ihr warmes böswilliges Blut. Diesen Geruch werde ich nie vergessen. Sogar ihre pochenden Herzen glaubte ich zu fühlen. Mordlust und Gier stiegen in mir auf. Das waren nicht mehr meine menschlichen Gefühle, sondern die
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