Zarter Mond - Hawthorne, R: Zarter Mond - Dark Guardian - 03 Dark of the Moon
hatte sie bei unserem Ringkampf auf meinem Körper gefühlt, aber aus irgendeinem Grund wirkte dieser Augenblick weitaus
intimer. Connor war einen halben Kopf größer als ich und ein bisschen breiter – und ich dachte daran, wie sein Körper mich zu Boden gedrückt hatte.
Die Leinwand wurde plötzlich heller, als die Kamera sich auf den Vollmond ausrichtete, und ich konnte ein bisschen klarer sehen. Connor führte mich zu der Sitzreihe vor Kayla und Lucas. Kayla hatte noch nie ein Pokerface gehabt und riss erstaunt die Augen auf, was nicht auf die Handlung des Films zurückzuführen war.
Als Connor meine Hand losließ, musste ich gegen ein Gefühl von Verlorenheit ankämpfen. Ich setzte mich und bot ihm von meinem Popcorn an. Grinsend langte er zu, bevor er sich zurücklehnte, um den Film anzuschauen. Unsere hitzige Begegnung von heute Nachmittag schien vergessen.
Ich wusste nicht recht, was ich erwartet hatte. Seinen Arm um meine Schultern, seine Lippen auf meinem Mund. Ich knabberte mein Popcorn, das plötzlich nach Sägespänen zu schmecken schien. Ich hatte meinen Appetit verloren.
Dem Jungen im Film sprossen inzwischen merkwürdige kleine Haarbüschel im Gesicht und an den Händen. Durch schlecht gemachte Spezialeffekte verlängerte sich sein Mund zu einer Schnauze. Dieser Film war sicher sofort nach Fertigstellung als DVD erschienen.
»Jetzt reicht’s aber langsam«, murmelte Connor und warf Popcorn in Richtung Bildschirm. Er war nicht der Einzige, dem der Film nicht gefiel. Um uns herum waren Buhrufe und abfälliges Geflüster zu hören.
»Wer hat den denn angeschleppt?«, rief Lucas.
»Daniel!«, brüllte jemand.
»Er ist definitiv unter den ersten zehn.«
Es gab einen inoffiziellen Wettbewerb, den schlechtesten Werwolf-Film aller Zeiten zu finden. Wir hatten ein ungewöhnliches Gespür für gute Unterhaltung. Meist lachte ich mit den anderen und machte mich lustig über die Filme, die uns wie eine Parodie auf unsere Art erschienen. Aber heute Abend war selbst eine noch so jämmerlich dargestellte Transformation eine Qual für mich.
Denn so lange ich denken konnte, hatte ich mich als das gesehen, was ich beim ersten Vollmond nach meinem siebzehnten Geburtstag werden würde. All die Unsicherheit, die ich fühlte, weil sich bislang kein Junge für mich interessiert hatte, würde sich in Luft auflösen. In meiner Wolfsform würde ich Schönheit, Selbstvertrauen und Macht besitzen. Ich bräuchte niemals Angst zu haben, dass irgendein Junge mich verlassen würde, so wie mein Vater meine Mutter und mich verlassen hatte.
Mit einem Mal bemerkte ich, dass Connors Arm auf meiner Rückenlehne lag, seine Fingerknöchel streiften meine Wange. Der Körperkontakt war so überraschend, dass ich erstarrte.
»He, was ist los?« Seine Stimme war leise und tief, sein Mund so nah an meinem Ohr, dass ich ihn, trotz der Pfiffe und Buhrufe, die die Transformation auf dem Bildschirm begleiteten – der Typ zog sich nicht mal die Kleider aus –, gut verstehen konnte.
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts.«
Er ließ die Hand um meinen Hals gleiten und streichelte mein Kinn. Hitze durchströmte mich. Ich spürte, wie er mich beobachtete, während ich so tat, als wäre meine Aufmerksamkeit
auf die Geschehnisse auf dem Bildschirm gerichtet. Wie oft hatte ich mir solche Augenblicke mit Connor ausgemalt, aber jetzt traute ich der Sache nicht recht. Noch wenige Nächte zuvor hatte er sein Leben, sein Herz und seine Seele für immer an Lindsey binden wollen. Und nun lenkte er seine Aufmerksamkeit auf mich, als hätte sie nie existiert, als hätte er sich niemals ihren Namen in keltischen Symbolen auf die Schulter tätowieren lassen. Und er hatte es für notwendig gehalten, mich zu testen. Vielleicht sollte ich ihn ebenfalls einem Test unterziehen.
Seine Lippen berührten mein Ohr, und mein Entschluss, ihm gegenüber hart zu sein, löste sich in Luft auf. Ich atmete keuchend aus und hatte das Gefühl dahinzuschmelzen. »Lass uns gehen«, befahl er.
Bevor ich Einwände erheben konnte – nicht, dass ich welche gehabt hätte –, stand er auf, nahm meine Hand, zog mich hoch und führte mich aus dem Medienraum. Im Flur stellte er mich zur Rede. »Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Ich weiß, dass du mir wegen heute Nachmittag nicht mehr böse bist, sonst hättest du dich nicht neben mich gesetzt. Irgendetwas anderes bereitet dir Kummer. Was ist es?«
Seine Stimme strahlte Kraft und Entschlossenheit aus. Ich wollte ihm die
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