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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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schwer in die ganz falsche Richtung lief, aus seinem wunderschönen Show Case, seinem Vorzeigeprojekt, entwickelte sich allem Anschein nach eine kleine Katastrophe, die irgendwie nach Kartoffelfäule roch.
    Winterhaider zog sich für einen halben Tag in seine Denkerklause in der HGW zurück und feilte an seiner persönlichen Exit-Strategie, denn das gehörte ja auch zum Change Management.
    Drei Monate später wurde kleinlaut bekanntgegeben, dass das Praxisexperiment Singing Dubliner leider und wider Erwarten und trotz weiterhin optimistisch stimmender Grunddaten und Potenziale abgebrochen werden musste. Während bei allen Task Forces verlegenes Köpfekratzen und Füßescharren herrschte und bei den meisten Teilnehmern der Satz »no comment« zur Lieblingsfloskel avancierte, hatte Winterhaider einen führungsstarken Auftritt.
    »Dank an alle Beteiligten«, sagte er den wenigen anwesenden Journalisten an der als Background-Apéro verkleideten Pressekonferenz, die er wohlweislich nicht im Singing Dubliner, sondern in der HGW abhielt. »Besonders die Frontleute mit Publikumskontakt haben Hervorragendes geleistet. Aber unvorhersehbare Entwicklungen bis hinein in die internationalen Finanzmärkte haben leider alle unsere wohlfundierten und mit mathematischer Präzision untermauerten Annahmen als zu optimistisch erscheinen lassen. Was nichts daran ändert, dass sie aus damaliger Sicht absolut richtig waren. Aber Management hat ja immer etwas mit Entscheiden in die Zukunft zu tun, das nennt man eben unternehmerisches Risiko. Und bei allen wissenschaftlichen Methoden, die uns heute im Rahmen des Risk Management zur Verfügung stehen, bleibt da immer ein Quentchen Unwägbares. Nur wer wagt, gewinnt, und manchmal verliert er eben auch. Aber selbst dann gewinnt er an Erfahrung.«
    Da hob doch dieser Frechdachs, der schon den vernichtenden Artikel geschrieben hatte, die Hand. Zunächst wollte ihn Winterhaider ignorieren, aber da ergriff der doch einfach das Wort: »Ist ja alles gut und schön, aber hätte eine Analyse der Vergangenheit nicht weiterhelfen können?« Winterhaider starrte ihn fragend an.
    »Ich meine damit, dass die jetzige Pleite die fünfte in den letzten zehn Jahren ist, oder wussten Sie das etwa nicht?« Winterhaider lief leicht rötlich an, erklärte das Gespräch für beendet, wichtige Sitzung, tut mir leid, und verließ fluchtartig den Raum.
    Ich bin von Pfeifen umgeben, dämmerte es Winterhaider, als er in der Sicherheit seines Professorenzimmers wieder etwas zur Ruhe kam. Aber das lässt sich zumindest teilweise ändern. Er drückte auf einen Knopf seiner Telefonanlage, und als zwei Minuten später sein Assistent den Raum betrat, sagte Winterhaider: »Sie sind gefeuert, versuchen Sie Ihr Glück doch in Zukunft als Barkeeper.«
    Kollateralschäden sind in der modernen Wirtschaft unvermeidlich, dachte Winterhaider befriedigt und machte sich eine gedankliche Notiz, dass er diesen Satz in seiner nächsten Vorlesung über modernes Change Management unbedingt verwenden müsse.

Siebzehn
    Hugentobler war gerade in den Endverhandlungen über den Ankauf eines netten Häuschens in Boca Raton, Guarded Community, sauber von der feindlichen Umwelt durch Wächter, Mauern und Überwachungsanlagen abgetrennt, idyllisch um ein paar künstliche Seen und einen 18-Loch-Golfplatz drapiert, da piepste in seinem Hörer ein zweiter Anruf. So kann man ja nicht arbeiten, dachte Hugentobler, und sagte: »Call you back, bye.« Dann wechselte er die Linie.
    »Kommen Sie sofort in mein Büro«, dröhnte ihm die Stimme seines Chief Operating Officers ins Ohr, »es gibt Handlungsbedarf.«
    Mein Gott, dachte Hugentobler, haben die leitenden Pfeifen der EBS etwa herausgefunden, dass auch 80 Milliarden Nothilfe nicht reichen, wenn sie sich wie gewohnt ihre Milliardenboni abgreifen? Dann machte er sich auf den Weg, durchquerte einige dieser Doppeltüren, mit Leder ausgeschlagen, die jeglichen Lärm der Außenwelt abhielten, vor allem das Geschrei, das in der Schweizer Öffentlichkeit entstanden war, als bekannt wurde, dass die Schweizer Landesväter und -mütter in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen hatten, die Staatskasse zu plündern, um das Geld in einer Briefkastenfirma auf den Bahamas zu versenken, während ihnen die EBS als Sicherheit einen stinkenden Haufen von wertlosem Schrotthypothekenderivategebastel als Sicherheit hinterlegte.
    Hugentobler legte die letzten zehn Meter bis zum Schreibtisch des COO zurück, der nervös mit

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