Zaster und Desaster
strong, fügte Winterhaider noch hinzu.
Unangenehm berührt war er allerdings, als ein frecher Lokaljournalist, sicherlich ein Antialkoholiker, einen launigen Bericht veröffentlichte, in dem er das Lokal als öde, leer und gut für Leute, die einmal wissen wollten, was irische Melancholie sei, beschrieb.
»Wer sich vorstellen möchte, was für eine Stimmung in Irland während der Kartoffelfäule herrschte, muss da unbedingt hin«, schloss der Frechdachs seinen Artikel.
Nachdem sich Winterhalter im Internet informiert hatte, was es denn eigentlich mit dieser Kartoffelproblematik auf sich hatte, rief er wutentbrannt den Chefredaktor an, machte ihn auf mögliche juristische Implikationen einer solchen Geschäftsschädigung aufmerksam und verlangte eine Richtigstellung. Aber auch die Drohung, ihn nicht mehr an die nächste Jahressause der HGW einzuladen, verfing nicht.
»Ich war auch ein einziges Mal dort«, sagte der Chefredaktor doch tatsächlich, »das Lokal kann man sich nicht mal schöntrinken, obwohl man alleine sicherlich einigen Hektolitern Guinness gegenübersitzt.«
Typisch, dachte Winterhaider, so ist unsere Presse, alles niederschreiben, unternehmerische Initiative nicht würdigen, wollte nicht mal einen Blick in unseren 357 Seiten umfassenden Businessplan werfen, unglaublich, auf welches Niveau der heutige Journalismus gesunken ist.
Winterhaider beschloss, mal selbst einen Augenschein zu nehmen, was er bislang unterlassen hatte, denn er wollte als Projektleiter so objektiv wie möglich bleiben, und da wäre eine zu starke Involviertheit nur hinderlich gewesen. Also betrat er punkt 18 Uhr das Lokal, setzte sich an die Theke und stellte erstaunt fest, dass es eine ganze Weile dauerte, bis der Barkeeper zu ihm schlurfte, obwohl er der einzige Gast war.
Na ja, ist wohl noch ein bisschen früh, dachte Winterhaider, dann sagte er fröhlich: »Happy Hour, ich kriege dann zwei Guinness.«
»Hä«, sagte der Barkeeper, »du wollen zwei Bier?«
Oh, den multikulturellen Aspekt der Work force sollten wir vielleicht mal genauer analysieren, machte sich Winterhaider eine gedankliche Notiz, während er dem unrasierten Subjekt mit deutlichem Migrationshintergrund dabei zusah, wie der zwei Gläser mehr schlecht als recht füllte und ohne Untersatz vor ihm auf die Theke knallte. »Macht siebenezehn, gleich kassier, ja?«
Winterhaider unterstrich seine geistige Notiz dreimal mit Rot und antwortete: »Aber von sechs bis sieben ist doch Happy Hour, da gibt es zwei für eins.«
»Nix weiß äppi hauer, du bestellt zwei Bier, du zahlen zwei Bier.«
Zähneknirschend kramte Winterhaider einen Zwanziger aus der Tasche, musste auf dem Wechselgeld bestehen, das ihm schließlich mürrisch auf den Tresen geknallt wurde. Ohne die beiden Biere anzurühren, ergriff er anschließend die Flucht, während er sich eine zweite Gedankennotiz machte, dass er den Betrag mit Eigenbeleg auf seine nächste Spesenabrechnung setzen würde. Beim Hinausgehen sah er noch aus den Augenwinkeln, wie sich der Barkeeper das erste Bier selbst reingoss, und als er in der Türe stand, bemerkte er verblüfft, dass diese Fehlbesetzung das Gleiche auch mit seinem zweiten Glas tat.
In der nächsten Krisensitzung, diesmal von der Task Force Human Resources, bekam Winterhaider erklärt, dass man im Rahmen einer Optimierung des Cash flow bei der Work Force als best practice solution beschlossen hatte, im Spannungsfeld Qualifikation gegen Lohnniveau Letzteres zu präferieren. Aufgrund der Analyse, dass das Anforderungsprofil für einen Barkeeper, der ja nur zwei Biere und ein Apfelbier voneinander unterscheiden muss, überschaubar sei, war diese Entscheidung absolut optimal, bekam Winterhaider gesagt.
»Und die Whiskys?«, hatte der verdattert gefragt. »Ich dachte, im Businessplan hätten wir eine ganze Selektion bester Single Malts vorgesehen gehabt.«
Human Resources hatte aber nur mit den Schultern gezuckt, »davon wissen wir nichts, ist nicht unser Bier«, hatte ein Kalauerfan geantwortet. Ergrimmt nahm Winterhalter mit der Task Force Branding and Products Kontakt auf, die ihn aber darüber aufklärte, dass eine vertiefte Analyse der Frage der Single Malts ergeben habe, dass solche in Schottland hergestellt würden, wogegen in Irland eigentlich alles aus demselben Hahnen liefe, daher habe man im Sinne einer Fokussierungsstrategie von dieser Extention Line Abstand genommen, nicht wahr. Langsam dämmerte Winterhaider der Verdacht, dass hier etwas ganz
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