Zaster und Desaster
verstehe die Frage nicht, von welchen Blasen sprechen Sie?«, sagte der Heini leicht verwirrt und knipste hektisch auf seinem goldenen Caran-d’Ache-Kugelschreiber herum, den er als Statussymbol für seine neue Position als Vice Assistent Executive Member Inhouse Research bei der letzten Weihnachtsfeier gekriegt hatte.
»Okay«, sagte Äbersold, »dann will ich die Frage anders stellen: Wenn es die Re-Remic-Papiere verjagt und in der Folge Staatsanleihen und in der Folge Staaten, hätten Sie mir da einen Tipp, wie ich meine eigenes Geld für diesen Fall anlegen sollte?«
»Aber Sie als leitender Private Banker unseres Hauses sollten das doch selbst am besten wissen, was raten Sie denn Ihren Kunden?«, fragte der Heini fassungslos zurück.
»Mein lieber Mann«, schnaufte Äbersold, »was ich meinen Kunden rate, hängt davon ab, wo ich am meisten Kommissionen verdiene und was ich ihnen laut Selling-Orders des Investment Committees reindrücken soll. Und wenn’s die Schweinepest oder eine andere Epidemie hat, ist mir egal. Aber gerade reden wir von meinem Geld.«
»Also ich persönlich habe eine größere Tranche Optionen auf das Ihnen eben vorgestellte Anlagemodell gezeichnet«, sagte der Heini würdevoll, »bei der sich bereits abzeichnenden konjunkturellen Erholung erscheint mir das, natürlich neben Investitionen in Bankaktien, ein sicherer Winner zu sein.«
»Sie armes Schwein«, sagte Äbersold ohne Mitgefühl, »Sie sind ja noch blöder als die meisten meiner Kunden.«
Einundzwanzig
Man sah Werner Meier deutlich an, dass er es hasste, zu einem kleinen Vortrag ausholen zu müssen. Aber als Chief Communication Officer von Elmore, Little and Willis, weltweit und in der Schweiz unterwegs für Audit, Tax, Advisory, musste er da durch. Schließlich hatte er höchstpersönlich zu diesem Meeting eingeladen, highest priority, all other ap. to be canceled, ctbd. Obwohl alle Kommunikationsfuzzis von ELW daran gewöhnt waren, dass auch in Zürich in einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch kommuniziert wurde, hatte es doch für einige Verwirrung gesorgt, als erste Übersetzungsversuche der Abkürzung »ctbd« zu »content to be discussed«, Inhalt zu diskutieren, führten. Bis der Vize-CCO, das war er ja seiner gehobenen Stellung schuldig, endlich nach ausführlicher Suche im Internet den anderen fünf Teilnehmern triumphierend verkünden konnte: »Das heißt ›content to be disclosed‹, das Thema des Meetings wird erst hier enthüllt.«
Vier Augenpaare starten ihn fragend an, während man noch auf Meier wartete, selbst die beiden Pfeifen, deren Namen sich eigentlich niemand merken konnte, gestatteten es sich, leichte Neugier in ihre ansonsten immer völlig neutral wirkenden Gesichtszüge zu legen. Der Vize-CCO sonnte sich in seiner damit wieder zum Ausdruck gebrachten Überlegenheit und fügte hinzu: »Das wird sicher eine ganz dicke Kiste, Riesen-Challenge.«
Dann war Meier grußlos in den Raum geschlichen, legte seinen Blackberry auf den Tisch und fummelte noch etwas dran rum. Am liebsten hätte er mit seinen Mitarbeitern wahrscheinlich per E-Mail kommuniziert, aber das ging ja nun leider nicht. Als eine der beiden Pfeifen sein Glas stilles Wasser, auf Raumtemperatur, kein Rülpsen, kein Magenbrennen, etwas zu laut auf die Glasplatte des Konferenztischs stellte, blickte Meier endlich etwas irritiert auf. Die Pfeife lief leicht rötlich an, aber Meier blickte sowieso am liebsten an allen Menschen schräg vorbei, also tat er das und sagte leise: »Die GL ist besorgt über das negative Image, das im Zusammenhang mit den leichten Verwerfungen auf den Finanzmärkten auch auf Firmen wie die unsere abfärbt. Der CEO hat das zur Chefsache erklärt und uns damit beauftragt, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, mit der man dem begegnen kann. Time frame ist asap, ein erstes Mecano erwartet er in 24 Stunden, Outline, Keywords, strategische Besetzung positiver Values, klare Positionierung, ja nicht aggressiv, aber auch nicht defensiv. Schlage vor, dass Sie heute um 18.00 h sharp an mich rapportieren.« Meier stand auf und verließ genauso grußlos den Raum, wie er aufgetaucht war.
Tiefe Stille herrschte, der Vize-CCO goss sich auch ein stilles Wasser ein, nahm einen tiefen Schluck und stellte das Glas geräuschlos wieder auf den Tisch. Dabei war ihm allerdings auch nichts Gescheites eingefallen, wie er leise gehofft hatte, aber Routine ist alles, sagte er sich. Schließlich hatte man schon andere
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