Zaster und Desaster
Mitarbeit im Tagesansatz von Fr. 500.–«, hatte er protestiert, »das ist aber nicht unbedingt fine Swiss Banking.«
Felix hatte bloß seinen Blackberry gezückt: »Plus Provision. Oder ein Anruf, und der nächste arbeitslose Banker fährt in fünf Minuten mit qualmenden Reifen vor, okay?« Kuhn hatte unterschrieben.
Dann ein kurzer Einführungskurs im fensterlosen Traderraum, in dem auch um halb zwölf Uhr nachts Dutzende von Händlern vor Bildschirmbatterien saßen, zwei Telefonhörer an die Ohren geklemmt und beide Hände auf der Tastatur. Viel zu kapieren gab es sowieso nicht, denn modernes Trading könnte auch ein Schimpanse mit Alzheimer und ohne Hosenträger bewältigen.
»Das geht aufs Haus, würde dir empfehlen, es dir in Zukunft selbst zu besorgen«, hatte sich Felix verabschiedet und ein Döschen Modafinil auf den Tisch gestellt. Eigentlich hilft das Medikament gegen die seltene Schlafkrankheit Narkolepsie – aber der Neuropusher kann auch nächtelang wachhalten. Statt einer Banane schob sich Kuhn zwei Pillen rein und ging ans Werk. Wusste ich doch, dass ich als Master of the Universe geboren bin, dachte er.
Zwanzig
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Äbersold, »das wird doch langsam langweilig.«
Der Heini vom Financial Engineering Research Team schluckte und schüttelte fassungslos den Kopf: »Aber lieber Herr Äbersold, mit der Wiedersecuritization von Hypothekarinvestment Conduits als Anlagevehikel erreichen Sie Ihr neues Performanceziel von plus 25 Prozent locker, dieses neue Produkt hat wirklich Sexappeal, ganz abgesehen vom Triple-A-Rating, das wir damit bereits im Sack haben.«
Ja, ja, dachte Äbersold, plus 25 Prozent, und das bei der Finanzlage, und sonst kann ich meine Optionen gleich der nächsten Papiersammlung mitgeben. Aber Äbersold hatte beschlossen, nicht mehr jeden Scheiß mitzumachen, und dem Heini wollte er auch zeigen, dass er beim Wort Financial Engineering nicht in ehrfürchtige Schockstarre verfiel: »Sie sprechen da also von Re-Remic, nicht wahr, reimt sich schön auf epidemic. Und Re-Remic bedeutet ja nichts anderes, als dass die guten alten CDO, heute eher bekannt als Hypothekarschrottpapiere oder, um es für Sie auf Englisch zu übersetzen, nuclear waste, nochmals neu gequirlt, gehackt, umverpackt und in neues Geschenkpapier eingewickelt werden. Und das soll ich, neben inzwischen als Staatsanleihen verpackten CDOs, meinen Kunden andrehen?«
»Aber ich bitte Sie«, sagte der Heini, der solchen Gegenwind innerhalb der Kreditunion offensichtlich nicht gewohnt war, »das ist doch kein Hokuspokus, sondern reine Mathematik. Wir stellen die Instrumente zur Verfügung, um den Hypothekarmarkt wieder flüssig zu machen, indem wir eine unverkäufliche Obligation aufsplitten, die guten Teile neu zusammenstellen und die anderen für risikobereitere Anleger anbieten. Und der Zusammenhang zwischen Staatspapieren und CDO erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht ganz.«
»Aber was eine Collateralized Dept Obligation ist, das erschließt sich Ihnen, ja? Mir ehrlich gesagt nicht, und ein paar Hundert Milliarden Miese später scheint’s der Markt ja auch nicht ganz verstanden zu haben. Eigentlich hat’s ja niemand wirklich kapiert, und jetzt wollen Sie mir erzählen, dass neu gemixte CDO verständlich, bombensicher und ein tolles Anlagegeschäft seien? Aber ich bitte Sie. Und der Zusammenhang zwischen Staatsanleihen und CDO liegt doch auf der Hand. Zuerst kaufen die Staaten für Hunderte von Milliarden CDO-Schrott, und dann geben sie Staatsanleihen heraus, um sich zu refinanzieren. Um das zu verstehen, muss man nicht mal an der Hochschule St. Gallen einen Furz in der Mensa gelassen haben, oder sind Sie da anderer Ansicht?«
»Ich glaube, dieses Update in neuen Finanzinstrumenten entfernt sich langsam vom Thema«, sagte der Heini beleidigt und klappte seinen Computer zu, »wenn Sie die Wertigkeit solcher Instrumente besser als Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch beurteilen können, bitte sehr.«
»Also ich habe Subprime-Schrott jedenfalls nicht mit AAA ausgezeichnet«, fetzte Äbersold zurück, »allerdings wurde ich auch nicht von den Emittenten dafür bezahlt. Aber Ihr Wunsch ist mir Befehl, kehren wir wieder zum Thema zurück, da hätte ich nämlich eine Frage: Sind Sie, so im Rahmen des modernen Financial Engineering und den heutigen mathematischen Berechnungsmöglichkeiten, in der Lage, mir zu sagen, wie lange es dauert, bis diese Blasen platzen?«
»Ich glaube, ich
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