Zaster und Desaster
Kuster bereits angekündigt hatte, großartig.
Da klingelte Kusters Privathandy, sein neues mit der neuen Nummer, die er nur eben diesen Kunden gegeben hatte. »Nummer unterdrückt«, sagte das Display, aber Kuster konnte sich eigentlich schon vorstellen, wer das war: »Philipp, mäin Fräund«, hörte er die schwere Stimme von Wladimir, scheint zur Abwechslung mal nüchtern zu sein, dachte Kuster. »Hat mich doch gerade wieder Bürgissär angärufen, wollä gärn nach Moskau kommen, müssä mich unbedingt sprächen, persänlich, wichtig, vertraulich. Habe gesagt, kein Kaviar mehr da, Vodka alle, muss neuen kaufen, käine Zäit. Gäld ist Gäld, Freundschaft ist druschba, mäin Liebär.«
Klick, und Wladimir hatte aufgelegt.
Neunzehn
Ich wusste, dass das nicht das Ende ist, dachte Peter Kuhn und ließ die Hosenträger schnalzen. War zwar recht knapp geworden nach dem Shake-out und seinem Rausschmiss bei der EBS. Aber nach dem er schon vom »Millionaire Water« Elsenham auf Leitungswasser hatte umstellen müssen, um seine tägliche Ration von Prozac, Ritalin und ein paar Neuropushern runterzuspülen, kam dann der Anruf von Felix, mit dem er seit dem Black-Belt-Kurs in Sygma-Decision-Management in Harvard locker in Kontakt geblieben war.
»Baue gerade eine neue Abteilung auf, Riesending, brauche Banker mit Nerven wie Drahtseile. Lust, mehr zu hören?« Kuhn hatte mäßig interessiert getan, dann war er ins Badezimmer gestürzt und hatte seinen Dreitagebart abrasiert, sich unter die kalte Dusche gestellt und in Schale geworfen.
»Ich hab’s kapiert«, hatte Kuhn beleidigt gesagt, als ihm Felix in der Börsenbar noch mal erklären wollte, worum es ging. »High-frequency Trading, darüber haben wir in Harvard schon gesprochen, schön, dass das inzwischen technisch möglich ist. Sind es immer noch 0,3 Sekunden?«
Felix hatte überlegen gelächelt: »Flash Orders setzt man heute mit 0,03 Sekunden. Habe heute einen Probelauf an der Nasdaq gemacht. Lang lebe die Transparenz, alle Orders müssen ja gleichzeitig allen Tradern bekanntgegeben werden. Und lang lebe die kleine Lücke, gegen eine bescheidene Gebühr kriegt man diese Information schon eine Idee schneller. In einer Sekunde habe ich 7800 Dollar Profit gemacht, also genauer gesagt in zweimal 0,03 Sekunden. Nicht schlecht, oder?«
»Wenn ich also weiß, dass eine Aktie am Steigen ist«, fiel Kuhn begeistert ein, »dann kaufe ich sie blitzschnell und verkaufe sie genauso schnell wieder an die Lahmärsche, die keine Supercomputer haben.«
»Macht hier einen Viertelcent und dort einen Viertelcent«, ergänzte Felix, »und ein netter Algorithmus rechnet dazu noch aus, was wohl die Widerstandslinie oder das Limit der lahmarschigen Käufer ist, und kurz davor schmeißt du ein paar zehntausend Aktien auf den Markt.«
»Und das Spiel beginnt von Neuem«, grinste Kuhn, »aber kommt dabei denn wirklich was rum?«
»Na, man merkt doch, dass du ein Weilchen bei Asset Allocation versauert bist«, grinste Felix und bestellte die zweite Flasche Krug, »und mit Knabberzeugs, sollte bei dem Preis ja wohl möglich sein.« Beide kauten ein Weilchen auf den gerösteten Pistazien rum und spülten mit einem großen Schluck Krug nach. »Das ist das heißeste Ding seit der Erfindung der CDOs«, fuhr Felix dann fort, »heutzutage werden wohl die Hälfte aller Börsengeschäfte so gemacht. Die ganzen halbbankrotten Ami-Banken verdienen sich damit wieder eine goldene Nase und putzen die ganzen Derviate-Schrotthaufen aus ihren Bilanzen. Also die, die sie nicht dem Staat aufs Auge drücken konnten.«
»Und die gute, alte EBS will da jetzt auch mitmischen«, sagte Kuhn. Felix beugte sich verschwörerisch nach vorne: »Damit wurden alleine in den letzten Monaten 21 Milliarden einkassiert, kannst du dir das vorstellen? Natürlich müssen wir auch dabei sein, deshalb eilt es ja auch so, und da habe ich an dich gedacht.«
»Nett von dir«, sagte Kuhn, »also Arbeitsbeginn morgen um sieben?«
»Aber nein«, lachte Felix und bestellte die Rechnung: »Arbeitsbeginn jetzt. Habe dir auch ein Einstandsgeschenk mitgebracht.« Und dann zog er aus seinem Schlesinger Attaché-Case ein paar knallrote Hosenträger raus.
Kuhn hatte sich noch schnell einen doppelten Espresso reingehauen, dann war er Felix in dessen Büro auf dem Uetliberg gefolgt. Die 30-seitige Stillschweigensvereinbarung hatte er ungelesen unterschrieben, den zweiseitigen Arbeitsvertrag hatte er sich aufmerksamer angeschaut.
»Freie
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