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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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er in Fahrt: »Ich darf da an ein altes und gutes arabisches Sprichwort erinnern: Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter. Und ich darf hinzufügen: Irgendwann haben die Hunde ausgebellt. Unser Bankhaus hat in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte schon viele Stürme überstanden und Krisen gemeistert. Und wissen Sie, warum?« Ein neuerlicher Blick in die Runde zeigte ihm, dass die meisten Anwesenden ihn interessiert fragend anschauten, die wenigen, die das nicht taten, merkte er sich. »Weil wir über den Tag hinaus denken, weil wir mit ruhiger Hand Kurs halten. Und weil wir nicht vom Prinzip ablassen, dass sich Leistung lohnen soll und muss. Leistung, Einsatz, Verantwortung, das hat unsere Bank groß gemacht, und da dürfen wir auf keinen Fall momentanen Moden nachgeben und auf wohlverdiente Benefits verzichten, nur weil das vielleicht im Augenblick in Teilen der Öffentlichkeit besser ankäme. Ich hoffe also, dass Sie das in Ihrem Algorithmus auch entsprechend berücksichtigt haben, und wenn ich nun um konkrete Zahlen bitten dürfte.« Ruderholz lehnte sich zurück, wieder einmal bedauerte er es, dass es in dieser Versammlung verpönt war zu applaudieren. Denn Beifall hatte er sich zweifellos verdient, da war er sich sicher. Außerdem hätte ihm die Intensität und die Dauer des individuellen Händeklatschens weitere Aufschlüsse darüber geliefert, welche Positionsverschiebungen er in der GL mit welcher Priorität angehen müsste. Bei mehr als der Hälfte der GL-Mitglieder war das sowieso überfällig, dachte Ruderholz, in letzter Zeit war es doch gelegentlich zu Kritiken an seinem Führungsstil und sogar an seinen Entscheidungen gekommen, die alarmierend waren. Aber selbst als CEO der EBS kann man nicht alles haben, nickte er.
    Der CFO räusperte sich: »Nun, angesichts des negativen Gewinnwachstums und einer gewissen Underperformance unserer Aktie im Jahre 2008 schlägt das Compensation Committee vor – wobei ich anfügen möchte, dass ich bei dieser Decision in den Ausstand trat, da sie ja auch mich betrifft –, den VR und die GL einer linearen Kürzung der variablen Bezüge um 40 Prozent im Vergleich zum Jahre 2007 zu unterziehen. Also davon betroffen sind, äh …«
    Der CFO verlor den Faden, was auch kein Wunder war, denn schlagartig setzte ein Protestgemurmel ein, das sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte und schließlich in ein allgemeines Gebrüll mündete, wie es der altehrwürdige große Sitzungssaal noch nie erlebt hatte. »Verrückt geworden, was bildet sich das Scheiß-Komitee eigentlich ein, sofort abschaffen, auflösen, Unverschämtheit« waren noch die harmloseren Einwürfe.
    Ruderholz wartete etwas zu, dann drückte er wieder auf sein Knöpfchen: »Meine Herren, ich muss doch sehr bitten, die Contenance zu bewahren, das ist nun wirklich keine Art.« Das Geschrei ebbte ab, einige rote Köpfe nahmen langsam wieder eine natürliche Farbe an, andere blieben rot. »Vielleicht haben Sie Ihren Ausführungen noch etwas hinzuzufügen«, und mit einer huldvollen Handbewegung erteilte Ruderholz dem CFO wieder das Wort.
    Der nahm einen Schluck Wasser, zögerte einen Moment und fuhr fort: »Ohne die Vertraulichkeit der Beschlusssitzung des Compensation Committees brechen zu wollen, lege ich Wert auf die Feststellung, dass ein weiterer Beschluss nicht einstimmig gefällt wurde«, versuchte der CFO seinen eigenen Arsch zu retten. »Zudem sollen alle Unit-Verantwortlichen, in deren Bereich die Vorjahreszahlen nicht egalisiert werden konnten, vollständig auf ihren variablen Lohnanteil verzichten. Damit setzt die EBS ein klares Signal, dass auch auf oberster Ebene Opfer gebracht werden, ein Zeichen der Verantwortung, das gleichzeitig einen Reputationsgewinn und eine Imageverbesserung sowie einen Vertrauensgewinn mit sich führt, der …«
    »Verstehe ich Sie richtig«, unterbrach ihn Ruderholz gefährlich leise, »dass Meyer als Head of Private Banking in Anführungszeichen nur 40 Prozent weniger kriegt, obwohl dieser Bereich durchaus profitabel abschloss, und alle mit operativer und strategischer Verantwortung Befasste nichts kriegen, nicht mal ich?«
    »Ähem«, sagte der CFO, »andere Ausformungen des variablen Lohnanteils erscheinen dem Committee nicht vermittelbar, weder nach innen noch nach außen. Gleichzeitig schlägt das Committee vor, den Anteil des nicht variablen Lohnes zu erhöhen und gewisse variable Lohnkomponenten auf das Jahr 2009 und 2010 zu verlegen, womit im besten Fall die Summe

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