Zaster und Desaster
der Bezüge über drei Jahre gerechnet gleich bliebe. Zudem weist das Committee darauf hin – ich bin hier nur der Berichterstatter –, dass nur so der Forderung nach personellen Konsequenzen, die immer lauter erhoben wird, die Spitze gebrochen werden kann.«
»Personelle Konsequenzen«, echote Ruderholz und kriegte nun seinerseits einen roten Kopf, »damit bin doch wohl in erster Linie ich gemeint, oder? Ist ja eine großartige Idee, mitten in hohem Seegang den Kapitän von der Brücke zu holen, ja?«
»Nun, wie gesagt, ich referiere hier nur, aber dem Committee erschien es auch angesichts der bevorstehenden Aktionärsversammlung …«
»Aktionärsversammlung«, schäumte Ruderholz, »was soll denn dieser Unsinn? Da toben wie immer ein paar Querulanten rum, kriegen nach maximal fünf Minuten das Mikrofon abgestellt, und dann wird allen Anträgen des VR mit mindestens neunzig Prozent zugestimmt, und vor diesem Hokuspokus hat das Committee Angst? Lächerlich. Also, Ordnungsantrag. Ich verlange eine Abstimmung über folgenden Beschluss: Die GL der EBS beantragt dem VR, die Vorschläge des Compensation Committee bezüglich GL zur Überarbeitung zurückzuweisen. Ich selbst, das sage ich ganz offen, bin nicht bereit, auf die meiner Verantwortung und Leistung entsprechende Gratifikation, und zwar in zeitnaher Form, zu verzichten. Gleichzeitig verknüpfe ich die Fortsetzung meiner Tätigkeit als CEO mit diesem Vorschlag. Und ich nehme an, ich spreche auch da im Namen von allen anwesenden GL-Mitgliedern. Darf ich um Handzeichen bitten, wer mit diesem Antrag einverstanden ist?« Ruderholz entglitt etwas die Kontrolle über seine Gesichtszüge, als er sah, dass sich nur zögernd einige wenige Hände hoben. Und sich sogleich wieder senkten, nachdem ihre Besitzer einen Blick in die Runde geworfen hatten.
Zwei Wochen später gab Ruderholz, äußerlich unbewegt, an der Aktionärsversammlung der EBS bekannt, dass er entschieden habe, altershalber von seinem Amt als CEO der EBS zurückzutreten, um damit den Weg für eine Fortsetzung des von ihm eingeleiteten erfolgreichen Turn around frei zu machen. Es war zwar das erste Mal, aber im holzgetäfelten, altehrwürdigen Sitzungssaal der EBS hatte eine Revolution stattgefunden. Und die Finanzkrise hatte ein weiteres, unschuldiges Opfer gefordert.
Siebenunddreißig
Kuster starrte auf die Handynummer von Wladimir auf dem Display seines Blackberry. Normalerweise hatte er nicht das geringste Problem mit solchen Anrufen, ganz im Gegenteil. Das war sein Leben, Kunden bequatschen, einseifen, eintopfen, sie für Entscheidungen loben, in die er sie zuvor reingequasselt hatte. Ganz nach Wunsch spielte er den servilen, den seriösen oder den sanften Schweizer Banker. Aber was war inzwischen noch normal, dachte Kuster. Das schöne Image der Schweizer Bank, verzockt, verspielt, verloren. Früher wussten die Reichen nicht, wo das Geld hintragen, heute wissen nicht, wo das Geld hernehmen. Da habe ich mit meinen Kunden wenigstens etwas gemeinsam, dachte Kuster trübselig, denn den Start von PK Financial Consulting hatte er sich ganz anders ausgemalt. Eigentlich hatte er sich Business as usual vorgestellt. Müller, die Pfeife, reichte ihm die Kunden rein, hielt die Dossiers im Schuss, führte die Geburtstags- und Vorliebenliste nach, setzte die richtigen Warnsignale: »Vorsicht, Gattin ist mal wieder in der Klapsmühle, Achtung, Sohn sitzt in Miami wegen Drogenhandel ein, unbedingt erwähnen, dass die brasilianische Geliebte schon wieder das Kreditkartenlimit gesprengt hat.« Und Kuster holte kurz Luft, rutschte auf seiner eigenen Schleimspur ins Portemonnaie des Kunden rein und zwackte eine hübsche Extrakommission und damit einen Sonderbonus ab. Und den Rest erledigte der Maschinenraum der Kreditunion.
Aber der erste Monat der Existenz von PK Financial Consulting war ins Land gezogen, und Kuster war weit außerhalb seines Business-Plans. Dabei war der ja von überschaubarer Simplizität. Nach Abzug aller Unkosten brauchte Kuster 50000 im Monat für sich selbst. Nachdem er in den saueren Apfel gebissen hatte und das dafür nötige Verwaltungsvermögen mit Müller zusammen durchgerechnet hatte, waren sie auf mindestens 100 Mio gekommen. Das war eine gute Nachricht, denn Kuster selbst hatte 500 Mio kalkuliert, allerdings hatte er da auch seinen Privatbedarf mit einer knackigen Mio pro Jahr angesetzt. Die schlechte Nachricht war, dass er nach einem Monat Dauertelefonieren und Dauerlunchen schlappe
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