Zaster und Desaster
und das auch so zu kommunizieren.«
Abersold lief rot an: »Sie können ja einsparen, was Sie wollen, und die gesamten Einsparungen, die Sie mir gerade erklärt haben, das sind ja Peanuts und zudem so überflüssig wie ein zweiter Kropf, aber an meinen Boni wird nicht gerüttelt, sonst haben Sie heute noch vor 18.00 h meine Kündigung auf dem Tisch.«
Frischknecht zerrte sich ein gequältes Lächeln ins Gesicht: »Lassen Sie mich doch ausreden, lieber Herr Kraus, äh, Äbersold.« Offenbar war er in seinem Gesprächsmanual etwas verrutscht, aber bevor Abersold noch aggressiver werden konnte, fuhr Frischknecht schnell fort: »Wie gesagt, durch die Kommunikation eines Verzichts auf die Hälfte aller Boni versprechen wir uns einen bedeutenden Imagegewinn. Intern, und das unterliegt strikt der Verschwiegenheitspflicht, werden wir das allerdings so handhaben, dass wir beispielsweise Ihnen dieses Jahr nur die Hälfte des verdienten Bonus auszahlen werden, denn die Bilanz muss ja sauber bleiben. Gleichzeitig werden wir Ihnen schriftlich zusichern, dass die zweite Hälfte Ihres Bonus im nächsten Geschäftsjahr ausbezahlt wird, bis dahin dürfte sich ja auch das Getobe der Presse und der Öffentlichkeit wieder gelegt haben.«
»Und der Zinsverlust«, hakte Äbersold unerbittlich nach.
»Auch der ist in unserem neuen Vergütungsmodell eingerechnet«, sagte Frischknecht, während seine roten Flecken wieder verschwanden.
»Und der Bonus wird keinesfalls in Form von Aktienoptionen der Kreditunion ausbezahlt«, schloss Äbersold das letzte ihm erkennbare Schlupfloch.
»Aber nein«, sagte Frischknecht und ließ sogar seinen Pickel in Ruhe, »wir sprechen hier von einer Barüberweisung, auf Wunsch auch steuerneutral.«
»Irgendwelche Haken dabei?«, fragte Äbersold misstrauisch, denn im Gegensatz zu ihren Kunden kannte er ja die Kreditunion und war auf jeden schmutzigen Trick gefasst.
»Keiner«, sagte Frischknecht treuherzig, »die Auszahlung der zweiten Hälfte des Bonus hat allerdings zur Voraussetzung, dass Sie im Moment der Bezugsberechtigung in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis mit der Kreditunion stehen. Das ist aber angesichts Ihrer jahrelangen Zugehörigkeit zu unserem Hause wohl kein Punkt, der berücksichtigt werden müsste.«
Oh doch, dachte Äbersold, wenn die Kreditunion nächstes Jahr weiter Geld sparen will, dann haut sie mich einfach eine Woche vor dem Bonusbezug raus und spart jede Menge Kohle. Interessant, führte er seinen Gedankengang zu Ende, nach diesem Gespräch habe ich ungefähr gleich viel Vertrauen zu meiner Bank wie ein durchschnittlich intelligenter Kunde, nämlich gar keins.
Fünfundvierzig
Frank C. Künzli saß auf der Terrasse am Frühstücks tisch und schaute durch seine Gattin hindurch. Auch die idyllische Aussicht auf den Zürichsee nahm er nicht wahr, den frisch gepressten Orangensaft würdigte er keines Blickes, und die ofenwarm servierten Croissants kühlten auf seinem Teller unberührt aus.
Zunächst genoss Frau Künzli das Schweigen, endlich einmal nicht das übliche Bankergequatsche schon am frühen Morgen, Implementierung neuer Strategie, Umsetzung Change Management, proaktiv der Finanzkrise begegnen, harte Banker für harte Zeiten, unerträglich. Dann schaute sie verstohlen auf ihre Cartier-Uhr und bemerkte, dass es schon Viertel vor sieben war: »Frank, du willst doch auch heute der Erste im Büro sein, nicht?«
Frank reagierte nicht, sondern befingerte bloß seine Seidenkrawatte von Fabric Frontline in klassischem Bordeauxrot. Sie beschloss, ihm noch fünf Minuten zu geben, und nahm einen Schluck von ihrem Abington Rare White Tea, handgepflückt, sonnengetrocknet.
»Frank«, probierte sie es nach zwei Minuten noch mal, »geht es dir nicht gut?« Sie war sich nicht sicher, ob er sie gehört hatte, auf jeden Fall bewegte er sich und zog aus der Tasche seines Armanis ein Pillendöschen, das sie zuvor noch nie gesehen hatte. Dann hielt er es sich an den Mund, leerte den ganzen Inhalt hinein und spülte ihn mit einem Schluck Orangensaft runter.
»Frank, was nimmst du denn da?«, fragte sie, nun ernstlich beunruhigt.
»Alles, was drin ist«, sagte Frank vage, »aber bei mir ist nichts mehr drin.«
»Ich verstehe nicht?«
Frank fixierte nun endlich seine Gattin, und dann brach es aus ihm heraus: »Lean Management, weißt du, was das ist? Ich auch nicht. Ich weiß nur, dass die letzten zwölf Monate die Hölle waren, Stimmung in der Bude auf null, seit Monaten parke
Weitere Kostenlose Bücher