Zaster und Desaster
neues Travel Center ist vorgängig zu kontaktieren und wird auch Billig-Airlines evaluieren. Lunch-Einladungen sind auf Fr. 200 zu limitieren, Abendessen, die 400 Franken übersteigen, sind vorab zu autorisieren. Die Teilnahme an VIP-Events wie White Turf, Basel Indoor etc. sind ebenfalls vorab zu autorisieren, eigene Kundenevents dürfen insgesamt einen Kostenrahmen von 30000 Franken pro Jahr nicht mehr übersteigen, Special Events müssen in Relation zur Neuakquisition von Kundengeldern stehen, wobei die Kosten ein Promille des Geldzuflusses nicht überschreiten dürfen.«
»Aha«, sagte Äbersold, »das heißt also, wenn ich 20 Mio an der Angel habe, darf ich nicht mehr als 2000 Franken ausgeben, das ist ja wohl bescheuert, oder?«
Frischknecht scrollte verzweifelt herum, fand aber in seinem Wording keinen Textbaustein, den er darauf anwenden konnte. Also reproduzierte er die Standardantwort: »Angesichts der globalen Finanzkrise müssen Maßnahmen getroffen werden, die im Einzelfall durchaus gewisse Härten beinhalten können, die aber für die Repositionierung der Kreditunion im immer kompetitiver werdenden Marktumfeld …«
»Okay«, sagte Äbersold, »bevor man auch Sie einsparen wird, muss ich mir den ganzen Scheiß ja anhören, was gibt es noch?«
Frischknecht entwickelte neben seinem Pickel noch einige rote Flecken, fuhr aber tapfer fort: »Für Sie bedeutet das, dass Sie sich von einem Ihrer zwei Assistenten trennen müssen, Ihre Corporate Credit Card hat neuerdings ein Limit von 10000 Franken, der Parkplatz für Ihren«, Frischknecht versicherte sich mit einem Blick auf seinen Bildschirm, dass er keinen Fehler machte, »Jaguar wird mit einer Eigenbeteiligung von 500 Franken im Monat belegt, Mitgliedschaften in Clubs wie Rotary usw. werden jährlich nur bis zu einem Betrag von 1000 Franken von der Kreditunion übernommen, Ihr Geschenk- und Blumenbudget ist auf ebenfalls 1000 Franken pro Monat beschränkt, darüber hinausgehende Ausgaben sind von meiner Abteilung vorgängig zu autorisieren, die entsprechenden Formulare finden Sie im Intranet. Fortbildungskurse sind ebenfalls vorher zu genehmigen und dürfen pro Jahr keine Absenz von insgesamt mehr als zwei Wochen verursachen, und dann gäbe es noch ein paar weitere Details, die Sie Ihrem neuen Arbeitsvertrag entnehmen wollen, der sich bereits in Ihrer Mailbox befindet. Ich darf Sie bitten, ihn mir bis heute um 18.00 h unterzeichnet zu retournieren.«
»Neuer Arbeitsvertrag«, erregte sich Äbersold, »das ist ja wohl der Gipfel. Ich habe einen bestehenden Vertrag, der eine Kündigungsfrist von sechs Monaten beinhaltet.« Frischknecht betrat sichtbar sicheres Terrain und erwiderte: »Das ist richtig, aber einerseits machen wir einen Wegfall der bisherigen Geschäftsgrundlage geltend, und falls Sie bedauerlicherweise dem neuen Vertrag nicht zustimmen sollten, bin ich autorisiert, Ihnen mitzuteilen, dass wir dann vorsorglich eine sofortige Änderungskündigung aussprechen müssen. Also besser gesagt eine fristlose Kündigung. Falls Sie die anfechten sollten, darf ich vorsorglich darauf hinweisen, dass wir bei der Durchsicht Ihrer Spesenabrechnungen der letzten zehn Jahre sicherlich auf die eine oder andere Ungereimtheit stoßen würden.«
He, dachte Äbersold, ich bin Mitarbeiter dieser Bank und nicht Kunde, ist eigentlich eine Unverschämtheit, so mit mir umzuspringen. Aber konzentrieren wir uns auf das Wesentliche, beschloss er: »Okay, ich werde mir den neuen Arbeitsvertrag anschauen, aber eine Frage hätte ich noch.«
Frischknecht scrollte zum Teil FAQ seines Wordings und blickte so beschützt Äbersold aufmunternd an: »Aber sicher, fragen Sie ungeniert, dafür bin ich ja da.«
So rede ich wirklich mit meinen Kunden, dachte Äbersold erbittert, aber es half ja alles nichts: »Was mich natürlich interessiert, ist die Bonus-Frage. Ändert sich da etwas?«
Offensichtlich war diese Frage im FAQ von Frischknecht enthalten, denn er antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Das ist eine gute Frage, Herr Äbersold. Ich kann Sie beruhigen: An Ihrer Bonusstruktur ändert sich nichts.«
Aber bevor Äbersold aufatmen konnte, fuhr er fort: »Einzig am Auszahlungsmodus müssen wir kleine Anpassungen vornehmen. Wie Sie ja wissen, schießen sich vor allem die Medien auf angeblich unverdiente und vermeintlich exzessive Boni ein. Im Rahmen unseres Image- und Reputationsmanagements haben wir deshalb beschlossen, dieses Jahr die Boni um 50 Prozent zu reduzieren
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