Zauber der Begierde
den Schultern und sah schnell wieder zum Schloß. Ah, endlich. Die
Kerzen waren aus, und seine Frau war auf dem Weg. Lydias Zimmer war völlig
dunkel. Plötzlich schien Grimm unwichtig. Selbst seine Irritationen über Grimms
Lügen fielen von ihm ab bei dem Gedanken an seine geliebte Adrienne.
Heute
nacht werde ich sie bis in alle Ewigkeit an mich binden, gelobte er schweigend.
»Hawk?«
Lydia wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht, und unter Anstrengung riß er
seinen Blick vom Schloß los. »Hmm?«
»Meine
Güte«, seufzte Lydia. »Wie sehr du mich doch an deinen Vater erinnerst, wenn du so
aussiehst.«
»Wenn
ich wie aussehe?« fragte Hawk gedehnt und beobachtete die Vordertreppe, um den
ersten Blick auf seine Frau erheischen zu können.
»Wie
ein wilder Wikinger, der geschaffen ist, zu erobern und Gefangene zu machen.«
»Ich
bin der Gefangene hier, Mutter«, schnaubte der Hawk. »Diese Frau hat mich wohl
verwünscht, glaube ich.«
Lydias
Lachen klingelte fröhlich. »Gut. Es scheint, als sollte es also so sein.« Sie
gab ihm einen aufmunternden Kuß. »Sie wird jeden Moment hiersein.« Lydia strich
sein Leinenhemd glatt, das nicht glatt gestrichen zu werden brauchte, glättete
sein perfektes Haar, das nicht geglättet zu werden brauchte, und führte sich
allgemein auf wie eine aufgescheuchte Henne.
»Mutter«,
knurrte er.
»Ich
will nur, daß du dich von deiner besten Seite...« Lydia brach ab und
unterdrückte ein nervöses Lachen. »Sieh mich nur an, eine ängstliche Mutter,
völlig aufgelöst bei der Hochzeit ihres Sohnes.«
»Sie
hat mich bereits in schlimmerer Verfassung gesehen und liebt mich trotzdem. Und
was fuchtelst du an mir herum? Ich dachte, wir hätten uns ausgesprochen.
Welche Pläne verfolgst du jetzt?« bestürmte er sie. Er kannte sie zu gut, um zu
glauben, daß sie stillschweigend vor seinen Plänen kapituliert hatte, an
diesem Abend abzureisen.
»Hawk«,
protestierte Lydia. »Du tust mir weh!«
Hawk
schnaubte. »Ich frage dich nochmals, welche heimtückische Intrige hast du
angezettelt, um uns hier zu behalten? Hast du den Wein mit Drogen versetzt?
Hast du skrupellose Söldner angeworben, um uns in meinem eigenen Schloß
gefangenzusetzen? Nein, ich hab's - du hast einen Boten zu den Mac Leods
geschickt und sie wissen lassen, daß jetzt ein günstiger Zeitpunkt wäre, um
Dalkeith zu belagern, richtig?« Er wäre nicht erstaunt gewesen, hätte sie
eines von diesen Dingen getan. Lydia konnte über Leichen gehen, wenn sie sich
etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Nichts
war ihr heilig, wenn sie nur Adrienne an ihrer Seite halten konnte. Wie die Mutter, so der Sohn, mußte er kläglich anerkennen.
Lydia
sah geflissentlich zur Seite. »Ich weigere mich einfach zu glauben, daß ihr
uns verlaßt, bis der Zeitpunkt gekommen ist. Bis dahin habe ich vor, die
Hochzeit meines Sohnes bis zum letzten Augenblick zu genießen. Davon abgesehen,
es ist offensichtlich, daß Adrienne keine Ahnung hat, was du vorhast. Ich bin
nicht so sicher, ob sie sich nicht auf meine Seite schlagen wird«, äußerte sie
schnippisch.
»Da
kommt sie.« Tavis unterbrach ihr Gezänk und richtete ihre Aufmerksamkeit auf
die Steintreppe, die in breiten Stufen in den oberen Außenhof führte.
»Oh!
Ist sie nicht bezaubernd?« hauchte Lydia.
Ein
kollektives Seufzen zerzauste die Luft und vermischte sich mit der duftenden
Brise, die durch die Nacht wehte.
»Könnte
eine Prinzessin sein!«
»Nein,
eine Königin!«
»Schöner
als eine Feenkönigin!« Ein kleines Mädchen mit blonden Ringellocken klatschte
entzückt in die Hände.
»Die Lady of Dalkeith-Upon-the-Sea.« Ein Lehensbauer zog seine Mütze
ab und hielt sie in einer Geste von Loyalität über sein Herz.
Lydias
Lächeln erstarb, als sie beobachtete, wie Adrienne zu den Stallungen ging.
Niemand sprach ein Wort, bis sie Augenblicke später wiederauftauchte, ein Pferd
zu einer nahen Mauer führend. »Aber was? Was soll das... ein Pferd? Ah, ich
vermute, sie reitet zu Pferde auf«, murmelte Lydia verblüfft.
»Ein
Pferd? Wieso sollte sie nicht laufen? Es ist nur ein kurzer Weg, will ich mal
sagen«, wunderte sich Tavis.
Unter
dem leuchtenden Mond konnten sie klar erkennen, wie sie auf eine niedrige
Steinmauer trat und das Pferd bestieg - mitsamt Hochzeitskleid.
Hawks
Augen verengten sich nachdenklich. Sein Körper versteifte sich, und er
erstickte einen Fluch, als er Rushka sah, der schweigend neben ihnen gestanden
hatte und eine Geste in die Luft zeichnete.
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