Zauber der Begierde
andere Wahl.
Wie
sollte sie den Ausdruck in ihren Gesichtern ertragen, wenn sie es tat? Wie
sollte sie den Haß und den Verrat aushalten, den sie in ihren Augen sehen
würde?
Adrienne
stand allein in Lydias entzückendem Schlafzimmer, inmitten langsam abkühlender
Bügeleisen, verworfener Unterwäsche und halbvoller Teetassen, die in nervöser
Erwartung nicht ausgetrunken worden waren.
Der
Zeitpunkt rückte näher.
Und
ihr Herz gefror, Atemzug um bitteren Atemzug. Ihr fröstelte, als ein frischer
Lufthauch durch das geöffnete Fenster von Lydias Schlafzimmer hereinzog. Sie
durchquerte den Raum, um es zu schließen, doch sie erstarrte, eine Hand an den
kühlen steinernen Fensterrahmen gelegt. Hypnotisiert blickte sie in die Nacht.
Ich
werde mich an das hier erinnern, immer.
Sie
sog Dalkeith in sich auf und vertraute jedes kostbare Detail ihrem Gedächtnis
an. Der volle Mond hielt sie in Bann, indem er den Hügelkamm in silbriges
Leuchten tauchte. Er schien näher an der Erde zu sein und so viel größer als
üblich. Vielleicht könnte sie in den Himmel spazieren und direkt neben dem Mond
stehenbleiben - vielleicht ihm einen Stoß, versetzen und zusehen, wie er über
den Horizont rollte.
Adrienne
staunte über diese Schönheit. Dieser Ort war Magie.
Sie
hatte vom Fenster aus einen perfekten Blick auf das Fest. Der Hügel war belebt
von Hunderten von Menschen, die um die Feuer herum auf hellen Tartans verteilt
waren, redend, feiernd und tanzend. Wein, Ale und Scotch flössen in Strömen,
als die Menschen die zu erwartende Ernte feierten. Eine reiche Ernte, dafür
hatte ihr Ehemann gesorgt.
Kinder
spielten Kinderspiele, rannten und kreischten und liefen zu ihren Eltern. Und
die Musik... oh, die Musik schwebte hinauf zu dem offenen Fenster und
vermischte sich mit dem leisen Grollen des Ozeans. Der kräftige, hypnotische
Rhythmus der Trommeln, die Pfeifen und die wilden Gesänge.
Zwischen
den beiden Feuerkreisen konnte sie ihn ausmachen; der Herr von
Dalkeith-Upon-the-Sea tanzte mit seinen Leuten, den Kopf in den Nacken
geworfen, fügte er dem Gesang seine tiefe samtig-heisere Stimme hinzu. Ihr Ehemann.
Zumindest hatte sie ihn eine Weile lieben dürfen - vielleicht nicht für immer,
aber...
Das
Trommeln wurde intensiver, und sie beobachtete ihn, wie er das Feuer umkreiste.
So primitiv und wild, und doch so zärtlich und liebevoll.
Ich
bewundere diesen Ort, dachte sie. Wenn ich jemals von einem Ort geträumt hätte, wo ich
hingehen wollte, damals, im zwanzigsten Jahrhundert, ich hätte von diesem hier
geträumt.
Einen
langen Moment preßte sie ihre Stirn gegen die kühle Steinmauer und hielt die
Tränen zurück. »Ich liebe ihn mehr als das Leben«, flüsterte sie laut.
Und das war der entscheidende Punkt
gewesen.
»Nein.« Der Hawk hob die Hände
in gespieltem Protest. »Du mußt mir noch Kräfte lassen, zu heiraten und mein
Weib ins Bett zu bringen heute abend«, neckte er eine lachende Frau, die
versuchte, ihn zu einem weiteren Tanz zu verleiten.
Trotz
der enttäuschten Blicke und der frechen Bemerkungen über seine Manneskraft
machte der Hawk sich auf den Weg den Hügel hinauf. Er hatte Lydia mit Tavis in
diese Richtung wandern sehen, während er tanzte. Er blieb stehen und sah
zurück zum Schloß, wobei seine Augen aufmerksam die Fenster absuchten. Da war
es. Lydias Zimmer, und die Silhouette seiner Frau hob sich gegen den hell
erleuchteten Raum ab. Er beobachtete, wie sie sich umdrehte. Sie war auf dem
Weg.
Ein
Frösteln kroch ihm das Genick hoch, als er ihren Rük- ken betrachtete. Er
beobachtete sie einige Zeit, und als sie sich nicht bewegte, fragte er sich,
was sie wohl täte.
Ich
hätte darauf bestehen sollen, daß sie die Wachen bei sich läßt.
Werden
sie mir das Kleid zuknöpfen? hatte sie ihn neckisch gefragt, und ein Strudel von
Eifersucht bei dem Gedanken, eine seiner Wachen könnte die seidige Haut seiner
Gattin berühren, hatte die Sache erledigt.
Er
konnte jeden ihrer Schritte vom Schloß hierher beobachten, und das Schloß
selbst war noch nicht völlig verlassen. Bis zum Hügel war es ein kurzer Weg,
fünf Minuten oder weniger. Ihr konnte nichts passieren. Dennoch sorgte er sich...
»Hast
du Grimm gesehen?« Lydia berührte leicht seinen Arm, um auf sich aufmerksam zu
machen.
Hawk
riß seinen Blick vom Fenster los. »Nein. Du?«
»Nein.
Und das bereitet mir Sorge. Er ist dein bester Freund, Hawk. Ich dachte, er
wäre hier. Was mag ihn abgehalten haben?«
Hawk
zuckte mit
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