Zauber der Begierde
offensichtlich, daß du nicht beabsichtigst, dich selbst in den Hintern
zu treten, also, bis du soweit bist, mach, daß du fortkommst aus Lydias
Schloß! Sofort! Ich werde Adrian benachrichtigen und ihn nach Hause holen. Er
wird einen guten Schloßherrn abgeben -«
Die
Augen des Hawk weiteten sich. »Nur über meine Leiche«, brummte er.
»Fein.
So sei es«, spuckte Tavis zurück. »Du bist sowieso niemandem nütze, so wie du
dich aufführst. Du könntest dich genausogut in dein eigenes Schwert stürzen,
bei all den Wohltaten, die du deinem Volk bringst!«
»Ich
bin hier der Herr!« lallte Hawk, und seine Augen blitzten wütend. »Und du...
du, alter Mann, zur Hölle, du bist gefeuert.« Obwohl er vorgehabt hatte - als
seine Frau noch bei ihm gewesen war seinen Platz für Adrian zu räumen, war es
zur Zeit verdammt kalt da draußen, und gerade jetzt würde er nirgendwo
hingehen. Vielleicht im Frühjahr, wenn er sich bis dahin nicht im Whisky
ertränkt hatte.
Tavis
riß Hawk mit einer schnellen Bewegung auf die Füße, überraschend für den
betrunkenen Schloßherrn. »Ganz schön stark für einen alten Mann«, murmelte
Hawk. Tavis zerrte den taumelnden Hawk zu den Türen seines Arbeitszimmers.
»Laß
mich los!« brüllte der Hawk.
»Ich
hatte mehr von dir erwartet, Kumpel. Ich muß ein Narr sein, aber ich dachte, du
wärst ein Mann, der kämpft um das, was er will. Aber nein, du bist angesichts
eines kleinen Mißgeschicks einfach zusammengebrochen -«
»Ach
was, meine Frau, die mich wegen eines anderen Mannes verläßt, ist nur ein
kleines Mißgeschick? So nennst du das?« lallte Hawk lauthals, und sein Dialekt
wurde in seinem Zorn noch ausgeprägter.
»Abgesehen
von dem, was du findest,
hast du hier immer noch eine Familie und einen Clan, der seinen Führer braucht.
Wenn du die Aufgabe nicht bewältigen kannst, dann tritt zur Seite für jemanden,
der es kann!«
»Wer
zum Teufel hat mich in deine Obhut gegeben?« dröhnte Hawk.
Tavis'
eigener Dialekt verstärkte sich in dem Maße, in dem sein Zorn aufgeheizt wurde.
»Deine Mutter, du lallender Idiot! Und selbst wenn sie mich nicht darum
gebeten hätte, ich wäre von mir aus auf dich zugekommen! Du magst dich
umbringen, Bursche, aber ich werde nicht zulassen, daß du Lydia quälst!«
»Alles,
was ich tue, alter Mann, ist, mich ein wenig zu betrinken«, protestierte Hawk.
»Du
hast dich jetzt seit über einem Monat >ein wenig betrunken<. Ich für
meinen Teil bin es müde zuzusehen, wie du dich zu Tode säufst. Wenn du die
Finger nicht von der Flasche lassen kannst, dann mach, daß du verdammt noch mal
fortkommst. Verpiß dich in eine Schneewehe, wo Menschen, die dich lieben, nicht
gezwungen sind, zuzusehen.«
Tavis
trat die Türen auf und warf den taumelnden Hawk mit dem Gesicht voraus in den
Schnee.
»Und
komm nicht zurück, bis du dich deiner Mutter gegenüber respektvoll verhältst!
Wenn du wieder bereit bist, Schloßherr zu sein, und der Flasche abgeschworen
hast, kannst du zurückkommen. Aber nicht vorher!« donnerte Tavis, als der Hawk
versuchte, seinen Kopf aus einer Schneewehe zu ziehen.
Als
Hawk es schließlich geschafft hatte, sich aufzurichten, schnaubte er ungläubig
bei dem Anblick des Mannes, den er als zart besaiteten Gerber kannte und der
nun Hawks eigene Wachen herbefohlen hatte, um mit weit gespreizten Beinen vor
der Tür Aufstellung zu nehmen und ihm mit verschränkten Armen unzweideutig den
Zutritt zu seinem eigenen Schloß zu verwehren.
»Bleib, wo du bist!« brüllte
Tavis in einer solchen Lautstärke, daß ihn Hawk durch die schweren, hölzernen
Türen des Schlosses hindurch hörte.
Adrienne war sich nicht bewußt
gewesen, wie abgrundtief sie den Winter haßte.
Das
bleiche Gesicht der Uhr über dem Kaminsims gab ein Läuten von sich, einmal,
zweimal, dann verfiel es in Schweigen. Zwei Uhr morgens; eine Uhrzeit, die
einem das Gefühl gab, das einzige wache Wesen auf der Welt zu sein. Und genauso
fühlte sich Adrienne, bis Maria schweigend in die
Bibliothek trat. Adrienne sah
auf und öffnete den Mund, um gute Nacht zu sagen, doch statt dessen sprudelte
eine Sintflut von Worten hervor, trotz des Dammes, den sie so gewissenhaft
errichtet hatte.
Maria
ließ sich in einem Sessel nieder und zog sich eine Wolldecke über den Schoß.
Adrienne
schürte das Feuer und öffnete eine Flasche süßen Portwein, während sie Maria
eine Geschichte erzählte, die sie noch niemals irgend jemandem erzählt hatte.
Die Geschichte eines
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