Zauber der Begierde
Waisenmädchens, das geglaubt hatte, sich in einen Prinzen
verliebt zu haben, nur um erkennen zu müssen, daß Eberhard Darrow Garrett ein
Prinz des organisierten Verbrechens war und daß er sie in die Ferien geschickt
hatte, damit sie in ihrem Gepäck Drogen über die Grenze transportierte, in
ihrem Auto, eingenäht in ihre Kleidung. Und daß sie, da immer alles von seinen
Gefolgsleuten eingepackt und ausgepackt worden war, keine Ahnung gehabt hatte.
Sie hatte es einfach genossen, seinen 10-karätigen Verlobungsring zu tragen,
seine Limousinen zu fahren und den Franziskaner-Nonnen in dem alten Waisenhaus
an der First Street eine lange Nase zu drehen. Daß sie nicht gewußt hatte, daß
das FBI das Netz um ihn schon enger gezogen hatte. Sie hatte gesehen, daß ein
reicher, unwidersprochen attraktiver Mann sie mit Liebe überhäufte, so hatte
sie jedenfalls damals geglaubt. Sie hatte keine Ahnung gehabt, daß sie ein
letzter, verzweifelter Versuch war, eine Reihe von Lieferungen außer Landes zu
bringen. Sie hatte niemals den Verdacht gehegt, daß sie ihm weniger als nichts
bedeutete - eine schöne, unschuldige Frau, die niemand je verdächtigen würde.
Seine perfekte Brieftaube.
Bis
sie ein schreckliches Gespräch mit angehört hatte, das niemals für ihre Ohren
bestimmt gewesen war.
Sie
erzählte Maria mit geheimnistuerischer Stimme, wie sie zur Kronzeugin wurde und
sich ihre Freiheit erkaufte. Und dann, wie Eberhard, den das FBI letztendlich
nicht festsetzen konnte, hinter ihr her gewesen war.
Maria
nippte an ihrem Port und hörte zu.
Sie
erzählte Maria, wie sie ihm schließlich in einem leerstehenden Warenhaus in
die Falle gegangen war und wie sie, des Wegrennens und des Versteckens und des
Angsthabens überdrüssig, das einzige getan hatte, was ihr übrigblieb, als er
seinen Revolver auf sie richtete.
Sie hatte ihn getötet, bevor er
sie töten konnte.
An dieser Stelle wedelte Maria
ungeduldig mit der Hand. »Keine wahre Geschichte. Warum erzählen Sie mir das?«
fragte sie anklagend.
Adrienne
blinzelte. Sie hatte der Frau soeben erzählt, was sie vor lauter Angst noch nie
jemandem preisgegeben hatte. Daß sie einen Mann getötet hatte. Sie hatte in
Notwehr gehandelt, zweifellos, aber sie hatte einen Menschen getötet. Sie hatte
Maria Dinge erzählt, die sie noch nie jemandem anvertraut hatte, und die Frau
wischte sie hinweg. Fast beklagte sie sich, daß sie ihre Zeit verschwendet
hatte. »Was meinst du, Maria? Es war real«, sagte sie verteidigend. »Es ist
geschehen. Ich war da.«
Maria
durchforstete ihren kleinen englischen Wortschatz, um die richtigen Worte zu
finden. »Jaja, Senorita. Mag sein iis real, aber iis nicht wichtig. Iiis vorbei und vergessen.
Und iis nicht, warum sie meinen, die Welt iis Ende. Erzähl wahre Geschichte.
Wen kümmert's, woher Sie kommen, oder ich? Heute zählt. Gestern iis Haut von
Schlange, oft wird abgestreift. «
Adrienne
saß für einen langen Moment sehr still da, und ein Frösteln fraß sich durch ihr
Rückgrat und in ihren Bauch. Die Uhr in der Halle schlug das Viertel der
Stunde, und Adrienne sah Maria mit anderen Augen.
Nachdem
sie tief eingeatmet hatte, erzählte ihr Adrienne von Dalkeith-Upon-the-Sea. Von
Lydia. Und von Sidheach. Marias braune Augen leuchteten mit einem Funkeln auf,
der Adrienne mit einem seltenen Anblick belohnte, von dem sie wetten konnte,
daß ihn nur wenige Menschen jemals zu Gesicht bekommen hatten. Die schmächtige,
olivhäutige Frau lachte und klatschte in ihre kleinen Hände, als sie von ihrer
Liebe und von ihrer Zeit mit dem Hawk hörte. Sie hakte bei Einzelheiten nach,
ergoß sich in Ohs über die Kinderstube, sah sie tiefsinnig an, wenn sie Adams
Namen zu oft erwähnte, ließ Ahs über ihr Zusammenkommen in Uster verlauten und
seufzte über die Hochzeit, die hätte stattfinden sollen.
»Ah... endlich... das iis wahre Geschichte.« Maria nickte.
Im Jahre 1514 versuchte der Hawk
verzweifelt zu schlafen. Er hatte gehört, daß ein Mann erfrieren konnte, wenn
er im Schnee einschlief. Aber entweder war es zu verdammt kalt im Wind, oder er
war einfach nicht genügend betrunken. Dem konnte er abhelfen. Fröstelnd zog er
seinen Tartan enger gegen den bitteren, heulenden Wind. Auf seine Füße taumelnd,
schwankte er die äußeren Treppen zum Dachfirst hinauf, wußte er doch, daß die
Wachen dort oft ein paar Fla schen versteckten, die sie bei ihrem Dienst warm hielten.
Kein
Glück. Keine Flaschen und keine Wachen. Wie konnte er es
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