Zauber der Begierde
Adrienne
öffnete die Augen, und ihre Stimme erstarb, als sie erschrocken auf das Buch in
ihren Händen stierte. Eine Studie über die mittelalterliche Falknerei.
Bleib
kalt!
Würdest
du dich für mich in die Lüfte erheben, Falke? Ich werde dich höher aufsteigen
lassen, als du je gewesen bist. Ich werde dich lehren, in Höhen zu kreisen, von
denen du bisher nur geträumt hast.
Dieses
Versprechen hatte er ohne Zweifel eingelöst. Und jetzt fiel sie aus diesen
unglaublichen Höhen ohne Fallschirm, ohne einen Mary-Poppins-Schirm oder
irgend etwas anderem, um ihren Sturz aufzuhalten. Adrienne de Simone Douglas
preßte die Hände auf ihren Magen und begann zu schreien.
Die
kleine kubanische Frau sank auf die Knie und zog Adrienne vorsichtig in ihre
Arme. Dann schaukelte sie sie, strich ihr über das Haar und tat ihr Bestes, sie
zu trösten.
Tagelang
lag Adrienne auf dem Rücken und ließ jede kostbare Erinnerung auf der weißen
Leinwand ihrer Zimmerdecke Revue passieren. Sie hatte die Vorhänge zugezogen
und alle Lichter gelöscht. Sie konnte ohne ihn die Welt nicht ertragen, wenn
sie hell war.
Maria
schwebte herein und hinaus und brachte zu essen und zu trinken, was unberührt
blieb, und Moonie blieb pausenlos an ihrer Seite.
Adrienne
trieb hin und her zwischen Bewußtsein und Bewußtlosigkeit, so wie sich ein
Verstand verhält, wenn die
Trauer zu tief ist, um damit
fertig zu werden. Schließlich kam sie wieder zu sich, aber sie hatte einen
großen Umweg genommen.
Auf dem glitzernden Quarzsand
von Morar schlenderte Adam Black mit arroganter Grazie an der Seite seiner Königin.
»Wo bist du gewesen, mein Barde?« fragte Königin Aoibheal mit seidenweicher
Stimme. »Welch neue Geschichten und Kurzweil hast du für mich gesammelt?«
»Oh,
die schönste Geschichte überhaupt! Ein episches, großes Abenteuer«, prahlte
Adam und ließ die eleganten Höflinge näherkommen.
Die
Feen liebten gute Geschichten, je undurchschaubarer die Irreführung, je
intensiver die Leidenschaften, um so gefesselter war der Hof. Sie lechzten
danach, da sie der Happy- Ends überdrüssig waren; da es ihnen unmöglich war,
selbst zu leiden, liebten sie den Kummer und das Unglück der Sterblichen. Die
Königin selbst hatte eine ganz besondere Vorliebe für Tragikomödien der
Irrtümer, und diese neue Geschichte paßte hervorragend in dieses Genre.
»Erzähl
uns, Spaßmacher, sing und spiel für uns!« schrie der Hofstaat des Tuatha de
Danaan.
Adam
lächelte strahlend. Er sah seiner Königin in die Augen und ließ den Blick lange
auf ihr ruhen. »Es war einmal ein Sterblicher. Ein Mann, der so ansehnlich war,
daß er sogar der Feenkönigin auffiel...«
Die
Augen der Königin funkelten hell, während sie lauschte, zuerst amüsiert, nach
einer Weile mit offensichtlicher Gemütsbewegung, und schließlich mit einem
Gefühl, das Reue sehr nahe kam.
Kapitel 32
Lydia seufzte, während sie ihre
Samen sortierte. Das neue Jahr war an ihnen vorbeigeschlichen, als ob es auf
dem buckligen Rücken einer Schnecke reiste. Sie wollte sich nicht einmal an
das abstoßende Schauspiel erinnern, das Weihnachten geliefert hatte. Der
Winter war mit Macht über Dalkeith hereingebrochen - Eiszapfen rankten sich
häßlich um die Fensterläden, und die verdammte Tür zur Vordertreppe war an
jenem Morgen zugefroren und hatte sie wirkungsvoll in ihrem eigenen Heim
eingeschlossen.
Lydia
konnte sich einer Zeit erinnern, in der sie den Winter geliebt hatte. Als sie
jede Jahreszeit genossen hatte, und die einzigartigen Vergnügungen, die sie
brachten. Weihnachten war einstmals ihr bevorzugter Feiertag gewesen. Doch
jetzt... sie vermißte Adrian und Ilyssee. Kommt beim, Kinder. Ich
brauche euch, betete sie still.
Das
Geräusch zersplitternden Holzes zerriß plötzlich die Luft und veranlaßte sie,
in einer unfreiwilligen Bewegung den Kopf hochzureißen und ihre kostbaren Samen
fliegen zu lassen.
Verdammt
rücksichtslos von ihnen, Feuerholz direkt vor dem Fenster zu spalten.
Lydia
rückte irritiert ihr Haar zurecht und begann erneut, die verstreuten Samen zu
sortieren. Sie träumte von Blumen, die sie pflanzen wollte - sollte es jemals
wieder Frühling werden.
Ein
weiteres dröhnendes Krachen erschütterte den Hauptsaal. Sie unterdrückte einen
ganz und gar nicht damenhaften Fluch und legte ihre Samen beiseite. »Haltet
euch zurück da draußen! Jemand versucht, ein wenig zu denken!« keifte sie.
Doch
das ohrenbetäubende Krachen ging weiter. »Wir
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