Zauber der Begierde
angetan habe. Es tut mir alles leid, und ich gelobe, ein besserer
Mensch zu werden, wenn du mich nur HIER RAUSHOLST!
Als sie die Augen wieder
öffnete, hätte sie schwören können, daß die Augen des Gottesmannes wissend und
leicht amüsiert aufleuchteten.
»Helft mir«, bewegte sie
unhörbar die Lippen.
Unverzüglich senkte er
den Blick zu Boden. Und wandte ihn nicht wieder von den Steinfliesen ab.
Adrienne zwang sich,
ihren widerstrebenden Blick auf die Körpermitte ihres Bräutigams zu richten,
dann sogar noch weiter nach oben, auf sein verwegen nobles Gesicht.
Amüsiert blickte er auf
sie herab, während sich das schneller und fröhlicher werdende Flötenspiel
langsam entfernte.
Ein Tumult brach aus und
befreite sie von der Last seines Blickes. Sie hörte die wütende Stimme ihres
»Vaters«, die die Dachbalken erzittern ließ.
»Was habt Ihr dazu zu
sagen, daß er nicht selbst kommen konnte?« schrie Red Comyn den Soldaten an.
»Es gab da ein kleines
Problem in Nord Uster. Der Hawk mußte übereilt hinreiten, doch er hat sein
Gelübde nicht gebrochen. Er tut den Clans keine Schande an.« Der Soldat
überbrachte seine eingeübte Botschaft.
»Er entehrt den
Eheschwur durch seine Abwesenheit!« donnerte Lord Comyn. Dann wandte er sich an
den Mann an Adriennes Seite. »Und wer seid Ihr, an seiner Statt zu kommen?«
»Grimm Roderick, Hauptmann seiner Garde. Ich bin gekommen,
um Eure Tochter als Bevoll... « »Ein Besenkter als Bevollmächtigter! Wie kann
er sich erdreisten, nicht persönlich zur Vermählung mit meiner Tochter zu
erscheinen?«
»Es ist vollkommen rechtmäßig. Der König wird die Ehe
anerkennen, und damit ist das Gelübde erfüllt.«
Adrienne konnte die Freude nicht verbergen, die ihr
bei seinen Worten im Gesicht stand. Dieser Mann war nicht ihr Ehemann!
»Bin ich wirklich so furchteinflößend, Mädchen?«
fragte er belustigt lächelnd, denn ihm war ihre Erleichterung keineswegs
entgangen.
Ungefähr so furchteinflößend
wie ein Teller schokoladeüberzogener Erdbeeren mit Schlagsahne, entgleiste es in ihren
Gedanken.
»Eher würde ich eine Kröte heiraten«, sagte Adrienne.
Sein Gelächter entlockte ihren Lippen ein gezwungenes
Lächeln.
»Dann habt Ihr offensichtlich eine Pechsträhne,
Mylady. Denn der Hawk ist bestimmt keine Kröte. Ich, Mädchen, der ich dem Hawk
am nächsten stehe, bin wahrhaftig eine Kröte. Nein - ein Untier. Schlimmer
noch, eine gehörnte und warzige Echse. Ein -«
»Ich verstehe.« Himmel, erlöse
mich von der Makellosigkeit. »Wo ist er also, mein unwilliger Ehemann?«
»Beschäftigt mit den Folgen eines ernsten Problems.«
»Und das wäre?«
»Ein schwerer und fürchterlicher Aufstand.«
»In NordUster?«
»In der Nähe.«
Adrienne wurde von einer gewissen Ungeduld ergriffen.
Was auch immer sie anstellen würde, dieser Vorgang ließ sich nicht mehr
aufhalten. Wenn sie schon mit dem Ungewissen konfrontiert wurde, so wollte sie
es jetzt auch in Angriff nehmen. Das Warten machte alles nur noch schlimmer,
und Lord Comyns Schreierei in Verbindung mit den Mißtönen der aufgescheuchten
Flötenspieler zerrte an ihren Nerven. Verrückt bin ich,
Janet? Meine Chance. Sie baute sich zu ihrer vollen Größe von einem
Meter sechzig auf, wandte sich an die immer noch belfernde Gestalt ihres
»Vaters« und rief in das Getöse: »Oh, gebt Ruhe, Vater, und laßt uns
fortfahren! Ich bin im Begriff zu heiraten, und Ihr zieht es nur in die Länge.
Was soll's, wenn er nicht gekommen ist? Ich kann es ihm nicht übelnehmen.«
Totenstille legte sich
über die Kapelle. Adrienne hätte schwören können, daß der Mann an ihrer Seite
vor unterdrücktem Lachen bebte, doch traute sie sich nicht, ihm noch einmal
ins Gesicht zu sehen.
Getuschel über die
»Verrückte Janet« hallte durch die Kapelle, und Adrienne überkam eine Woge der
Erleichterung. Dieser zweifelhafte Ruhm der Verrücktheit könnte ihr nützlich
sein. Wenn sie nur an diesem einen Tag Comyns Befehlen gehorchte, würde sie
sich später aufführen können, wie sie lustig war, und niemand würde sie dafür
zur Rechenschaft ziehen.
Adrienne hatte
befürchtet, sie würde sich all die Einzelheiten, die Comyn ihr eingetrichtert
hatte, nicht merken können; sie würde sich verhaspeln, und irgend jemand im
Hause ihres neuen Ehemannes könnte entdecken, daß sie eine Hochstaplerin war.
Würde man sie als Scharlatan entlarven, würde Comyn seine Drohung wahrmachen
und sie töten.
Auf einmal löste sich
diese Bedrohung
Weitere Kostenlose Bücher