Zauber der Vergangenheit
immer in den historischen Filmen gesehen, die ich mit meiner Freundin Zoe zu Hause in London geschaut hatte.
»Harrison? Tatsächlich? Ich kannte einen Robert Harrison.«
»Wirklich? Das ist mein Großvater!«, platzte ich heraus. »Wissen Sie, wo wir ihn finden können?« Mr Conners lächelte mich freundlich an.
»Kommen Sie doch erst einmal herein. Das ist eine Angelegenheit, dir wir lieber nicht zwischen Tür und Angel besprechen sollten.« Er trat zur Seite und bat uns herein. Anthony schob mich vor sich her in den schmalen Flur des Hauses. Alles hier sah aus, wie aus einem Museum entsprungen, und doch entsprach es offensichtlich dem modernsten Trend der Zeit. Mr Conners führte uns zielstrebig in einen gemütlichen, kleinen Salon mit einem schmalen Holztisch, einem kleinen, mit grün-weiß gestreiftem Stoff bezogenen Sofa und zwei dazu passenden Ohrensesseln.
»Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte er und deutete auf die Sitzgruppe.
Anthony setzte sich auf das Sofa. Erschöpft ließ ich mich neben ihn sinken. Die Polster waren nicht besonders weich, aber das war mir egal. Es tat einfach gut zu sitzen. Mr Conners nahm uns gegenüber auf einem der Sessel Platz.
»Ich habe meine Frau gebeten uns ein Tässchen Tee zu machen«, sagte er. Dann musterte er mich einmal ausgiebig von Kopf bis Fuß, ehe er erneut ansetzte. »Sie sind also auf der Suche nach Robert?«
»Ja, Miss Violet ist aufgrund einer wichtigen Angelegenheit hier und muss ihn unbedingt sprechen, bevor sie wieder den Heimweg antritt«, erklärte Anthony an meiner Stelle.
»Woher kommen Sie, Miss Violet, wenn ich fragen darf?«, wandte Mr Conners sich nun direkt an mich.
»Ich komme aus London, Sir«, antwortete ich wahrheitsgemäß, in der Hoffnung, dass er meine Nervosität nicht bemerken würde.
»London? Wirklich ein anregender Platz für junge Leute. Ich habe selbst eine Weile dort gelebt. Aber nach und nach wurde mir das Stadtleben zu hektisch. Deshalb haben wir beschlossen, hierher aufs Land zu ziehen. Zudem ist es im Sommer unerträglich heiß in der Stadt.« Ich nickte zustimmend.
»Sagen Sie, Miss Violet, wie weit sind Sie in der Stadt mit dem Wiederaufbau der St. Paul's Cathedral? Als ich zuletzt dort war, konnte man gerade einmal die Grundzüge erkennen.« Die Frage traf mich völlig unvorbereitet. War es eine Falle? Wiederaufbau? Ich erinnerte mich an den großen Brand, der die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte, aber ich wusste nicht mehr, wann er ausgebrochen war. Ich versuchte mich an den Geschichtsunterricht bei Mrs Parker zu erinnern, doch die Jahreszahlen schwirrten nur orientierungslos in meinem Kopf. War die Kathedrale überhaupt in Mitleidenschaft gezogen worden und wenn ja, stand sie schon wieder oder befand sie sich tatsächlich noch im Bau? Hilfe suchend huschte mein Blick zu Anthony und ich hoffte, dass Mr Conners es nicht bemerkte. In diesem Moment betrat eine zierliche, blonde Frau in einem dunkelroten Kleid den Salon und rettete mich damit aus dieser heiklen Situation.
»Das ist meine Frau Theodora und das, meine Liebe, sind Mr Clark und Miss Harrison.«, stellte Mr Conners uns einander vor.
»Sehr erfreut«, sagte Mrs Conners und stellte ein Tablett mit Keksen und Teetassen auf dem schmalen Couchtisch ab. Sie wirkte sehr jung. Ich schätzte sie in etwa auf Mitte dreißig. Ihre blassgrünen Augen strahlten, als sie uns ansah.
»Bitte bedienen Sie sich.« Mr Conners machte eine einladende Geste in unsere Richtung. Ich zögerte nicht. Seit dem Frühstück hatte ich nichts mehr gegessen und mein Magen knurrte bereits verräterisch. Ich nahm mir einen Keks und stopfte ihn mir in den Mund. Er schmeckte viel besser als die von Tante Batty. Dann nippte ich kurz an meiner Teetasse. Da ich den Mund voll hatte, übernahm Anthony das Reden.
»Als wir London verließen, waren sie gerade dabei, die Kuppel der Kathedrale fertigzustellen«, antwortete er, ohne mich dabei anzusehen.
Mr Conners wirkte erstaunt und sah wieder zu mir herüber. Offensichtlich erwartete er eine Reaktion. Ich nickte zustimmend und schluckte meinen Keks herunter.
»Es gab aber wohl noch einige Schwierigkeiten mit der Statik«, improvisierte ich schnell, um nicht absolut unwissend dazustehen. Und so falsch konnte ich mit dieser Bemerkung gar nicht liegen, denn das war schließlich ein Problem, das in der Geschichte immer wieder auftauchte. Auf jeden Fall würde es ihn davon ablenken, dass ich eine absolute Geschichts-Niete war.
»Das habe
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