Zauber der Vergangenheit
Pfund verloren hat. Ist das nicht höchst amüsant?« Ich wusste zwar nicht, was er daran so lustig fand, lächelte aber zustimmend. Irgendwann hatte ich gelernt, dass es das Beste war einfach zu nicken und zu lächeln, wenn man nicht wusste, was man sagen soll.
»Nun, Miss Violet, wie Mr Clark mir bereits erzählte, sind Sie auf der Suche nach ihrem Großvater. Ich wusste gar nicht, dass er eine Enkelin hat.«
»Wahrscheinlich hat er es einfach nur nicht erwähnt. Wissen Sie, er ist manchmal ein wenig vergesslich auf seine alten Tage.« Anthony trat mir unsanft auf den Fuß. Mr Conners sah mich ein wenig irritiert an. Offensichtlich hatte ich Mr Conners mit dieser Bemerkung indirekt beleidigt, denn der Altersunterschied zwischen ihm und meinem Großvater konnte nicht sehr groß sein und er hatte es wohl verständlicherweise nicht gern, wenn man ihn als alten Mann bezeichnete. Umsichtig setzte er seine Teetasse auf dem Tisch ab.
»Nun ja, wie dem auch sei. Leider kann ich Ihnen nicht genau sagen, wo er sich zurzeit aufhält. Ich habe keine genaue Adresse. Ich weiß nur, dass er mir erzählte, er habe einen großen und wichtigen Auftrag erhalten. Ich schätze also, dass er augenblicklich in der Stadt verweilt, denn auf dem Land gibt es für einen Uhrmacher seines Formates kaum nennenswerte Arbeiten zu erledigen.«
»Sie glauben also, dass er in London ist?«, hakte Anthony nach.
»Ja, das denke ich. Er wollte mir zwar nicht sagen, womit er beauftragt wurde, denn das sei streng geheim, aber ich habe natürlich Vermutungen angestellt. Ich frage mich nur, warum er sich dann nicht bei seiner Familie angekündigt hat.«
»Mein Großvater hatte vor Monaten einen furchtbaren Streit mit meiner Tante. Deshalb hat er uns seinen Aufenthalt sicher vorenthalten. Bitte sagen Sie uns, was sie wissen, oder zumindest, was sie denken, wo wir ihn finden könnten«, bat ich. »Es ist wirklich wichtig. Meine liebe Tante Clara wünscht sich nichts sehnlicher, als ihn noch einmal zu sehen, damit sie sich mit ihm aussöhnen kann, bevor …« Ich brach ab und senkte den Blick.
»Oh, bitte, mein liebes Kind. Weinen Sie nicht«, sagte Theodora und reichte mir aus ihrer Rocktasche ein weißes Stofftaschentuch. Anthony beugte sich zu mir herüber.
»Was machst du da?«, flüsterte er, so dass die beiden es nicht hören konnten.
»Ich verschaffe mir die Informationen, die ich brauche«, flüsterte ich zurück.
»Du bist echt unglaublich«, murmelte er ein wenig verärgert. Doch ich beachtete ihn gar nicht. Jetzt war ich an der Reihe und es funktionierte. Da sollte noch einmal jemand sagen, ich hätte kein schauspielerisches Talent.
»Theodora, kannst du nicht unserer lieben Freundin Mrs Fellows eine Nachricht zukommen lassen mit der Bitte, ob sie nicht ein paar Erkundigungen über den Verbleib von Robert anstellen kann?«
»Natürlich, mein Lieber. Ich werde gleich eine Nachricht für sie aufsetzen.« Und schon war sie aus dem Zimmer geeilt.
»Miss Violet, seien Sie unbesorgt. Mrs Fellows ist eine gute Freundin unserer Familie und ein rechtes Tratschweib, wenn ich das bemerken darf. Aber sagen Sie bloß meiner Frau nicht, dass ich das gesagt habe. Sie hält nämlich große Stücke auf sie. Wenn Mrs Fellows nicht herausfinden kann, wo sich Ihr lieber Großvater aufhält, dann müsste es schon mit dem Teufel zugehen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie mit dem nicht auch noch einen Handel zu ihrem Vorteil erwirken könnte.« Er lachte über seinen Scherz. Ich schniefte noch einmal und schnäuzte mir hörbar die Nase.
»Vielen Dank, Mr Conners«, sagte ich mit möglichst verletzlich klingender Stimme.
»Keine Ursache, mein Kind«, erwiderte er und zwinkerte mir aufmunternd zu. Mrs Conners kam wieder zurück in den Salon.
»Es ist alles arrangiert. Ich habe sogleich einen Eilboten losgeschickt«, sagte sie aufgeregt. »Wenn Sie in London ankommen, besuchen Sie gleich Mrs Fellows. Fragen Sie einfach nach ihr. Man kennt sie dort. Sie wirkt oft im städtischen Theater mit. Ich habe Sie bei ihr angekündigt und sie darum gebeten Ihnen die Auskünfte zu erteilen, die Sie so dringend benötigen.« Ich blickte mit Bambi-Augen in die Runde. Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, kam Anthony mir zuvor.
»Wir haben Ihre Gastfreundschaft nun schon viel zu lange in Anspruch genommen«, sagte er. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns verabschieden. Unter den gegebenen Umständen ist jede Minute kostbar.« Anthony stand auf und
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