Zauber einer Karibiknacht
Rafe. „Er soll sich überhaupt nicht vergnügen. Schließlich ist er zum Arbeiten auf der Insel.“
„Sei doch nicht immer so eine Spaßbremse“, schimpfte Lucas. „Er ist ja nicht tot. Und auch nicht verheiratet. Mann, ich hatte gedacht, seit du mit Katie zusammen bist, bist du ein bisschen lockerer.“
„Ich bin locker genug.“
Der Streit wurde heftiger, was Seans schmerzendem Kopf gar nicht guttat. Aber wenn seine Brüder sich erst mal in der Wolle hatten, waren sie nur schwer zu bremsen.
Trotz seiner Kopfschmerzen musste er lächeln. Sie mochten sich gelegentlich zanken, aber trotzdem hielten alle King-Brüder fest zusammen. Ihr Vater, Ben King, hatte zahlreiche Söhne gezeugt, jeden mit einer anderen Frau, und keine dieser Frauen geheiratet. Die meisten Söhne waren getrennt voneinander aufgewachsen, aber jeden Sommer hatte der Vater sie alle für rund drei Monate auf seine Ranch in Kalifornien eingeladen. Dort waren aus den King-Söhnen echte Brüder geworden. Die Zeit hatte ausgereicht, um sie zur Familie zusammenzuschweißen.
Seans Gedanken schweiften zu seinen Eltern ab. Er wusste, Ben hatte getan, was er konnte. Aber Seans Mutter war zu zart, zu sensibel, zu zerbrechlich gewesen, um im Leben wirklich zurechtzukommen. Sie hatte später mit einem anderen Mann zusammengelebt, der sich als übler Schläger entpuppte, und hatte nicht die Kraft aufgebracht, ihn zu verlassen. Selbst als es immer schlimmer wurde und …
„Sean!“
Sean schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte auf den Bildschirm, wo ihn seine Brüder erwartungsvoll ansahen. Er räusperte sich und sagte: „Es gibt keine Blondine.“
„Na, das ist doch schon mal was“, murmelte Rafe.
„Sie hat schwarze Haare“, sagte Sean. Er musste sich zusammenreißen, um nicht ins Schwärmen zu geraten. Ihre Figur, ihre Augen – sie war die Verführung in Person. Und er würde sie heiraten, durfte sie aber nicht anrühren. Das würde ihm eine schier übermenschliche Selbstbeherrschung abverlangen. Er kannte sie gerade mal rund einen Tag und konnte schon jetzt kaum noch an sich halten.
„Also doch eine Frau“, stieß Lucas triumphierend hervor. „Ich hab’s gewusst.“
„Jetzt lass ihn doch weitererzählen“, warf Rafe ein.
„Ich dachte, es geht um das Hotelprojekt“, erwiderte Lucas. „Ich habe keine Lust, mir Geschichten über seine neueste Eroberung anzuhören.“
Wieder begannen sie zu zanken. Wenn wir alle drei zu Hause im Konferenzraum säßen, dachte Sean, würde ich in der Zwischenzeit Kekse essen und auf meinem Smartphone einige Sachen checken. Aber im Moment bin ich froh, wenn ich mich aufrecht auf dem Stuhl halten kann.
Die Sonne schien hell durchs Fenster herein, und man hatte einen fantastischen Ausblick auf den Hafen und den Ozean, allerdings interessierte das Sean im Moment überhaupt nicht. Am liebsten hätte er die Gardinen zugezogen.
Sein Zimmer im Stanford-Hotel war geräumig und luxuriös eingerichtet, aber man sah ihm an, dass hier lange nichts verändert oder renoviert worden war. Man hätte dem Hotel fünf Sterne verleihen können – vor fünfzig Jahren. Doch seitdem schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Das einzige Zugeständnis an moderne Zeiten war der High-Speed-Internetzugang. Ansonsten wirkte alles wie in einem alten Film.
Kein Flachbildfernseher, kein modernes Bad, nicht mal ein Haartrockner oder eine Kaffeemaschine. Dennoch strahlte das Zimmer eine Eleganz und Würde aus, die ein moderneres Hotel schwerlich erreichen könnte.
„Na gut, du hast gewonnen“, sagte Lucas zu Rafe. „Ich höre Sean zu – wenn du deine Klappe hältst.“
Sean lachte laut und fasste sich dann an den schmerzenden Kopf.
„Also zur Sache, Sean“, forderte Rafe seinen Bruder mit ruhiger Stimme auf. „Erzähl.“
„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, bekannte Sean. Die vergangenen sechsunddreißig Stunden waren wie eine Tour durchs Irrenhaus gewesen. Er konnte ja selber kaum glauben, was passiert war.
„Dann fangen mit dem Land an“, forderte Lucas. „Ist das Geschäft unter Dach und Fach?“
Sean atmete tief durch und trank einen Schluck Wasser, während seine Brüder ungeduldig warteten.
„Also, was ist jetzt?“, fragte Rafe.
Sean grinste verlegen. „Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten.“
„Na großartig“, murmelte Rafe.
„Fang mit den guten Neuigkeiten an“, riet ihm Lucas. „Dann kann ich die schlechten besser verkraften.“
„Okay. Die gute Neuigkeit: Das
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