Zauber einer Winternacht
du mich nicht?«
Er starrte sie wortlos an. Wenn sie weiter dort stehen blieb, in den strahlenden Sonnenschein gehüllt, die Augen dunkel und herausfordernd, die Wangen gerötet, dann würde vielleicht sogar er betteln. »Ist das der Punkt?«, fragte er ruhig.
»Du sagst mir, du willst mich, und dann ignorierst du mich. Du küsst mich, dann gehst du einfach weg.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und als ein Finger sich im Band verfing, streifte sie es verärgert ab. Fein und hell fiel ihr das Haar auf die Schultern. »Ich weiß, dass Michael der Hauptgrund für unsere Ehe ist, aber ich möchte trotzdem erfahren, woran ich bin. Bin ich in diesem Haus als Gast, der entweder geduldet oder ignoriert wird, oder bin ich als deine Frau hier?«
»Du bist meine Frau.« Mit wachsender Erregung glitt er von seinem Hocker. »Mit Ignorieren hat das nichts zu tun. Ich habe einfach nur viel Arbeit nachzuholen.«
»Du arbeitest keine vierundzwanzig Stunden am Tag. Und nachts …« Ihr Mut ließ nach. Wie gehetzt stieß sie die restlichen Worte hervor. »Warum schläfst du nicht mit mir?«
Er war froh, den Pinsel hingelegt zu haben. Anderenfalls hätte er ihn vermutlich in zwei Teile zerbrochen. »Erwartest du, dass ich dir auf Befehl zur Verfügung stehe, Laura?«
Seine Antwort schockierte sie. Denn genau das war einst von ihr erwartet worden, und sie schämte sich über alle Maßen, dass er ihr zutraute, was sie damals hatte erleiden müssen. »Nein, so habe ich es nicht gemeint. Ich dachte nur, du solltest wissen, wie ich mich fühle.« Sie drehte sich um. »Ich überlasse dich wieder deiner Arbeit.«
»Laura!« Ihr Zorn war ihm sehr viel lieber als die Erniedrigung, die er in ihrer Miene gesehen hatte. »Warte!« Noch während sie herumwirbelte, ging er auf sie zu.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
»Also gut.« Erleichterung stieg in ihm auf, aber er war nicht sicher, ob sie schon gerechtfertigt war. »Ich liefere dir einfach nur eine ehrliche Erklärung.«
»Das ist nicht nötig.« Sie wollte zur Tür gehen, doch er packte sie beim Arm und riss sie herum. Die Angst, die er dabei in ihren Augen sah, traf ihn wie ein Keulenschlag.
»Verdammt, sieh mich nicht so an. Sieh mich nie wieder so an.« Ohne dass er es merkte, schlossen seine Finger sich fester um ihren Arm. Als sie das Gesicht verzog, ließ er sie los. »Ich kann deinetwegen keinen anderen Menschen aus mir machen, Laura. Wenn ich schreien muss, schreie ich, und ich kämpfe, wenn ich kämpfen muss. Aber ich habe es dir schon einmal gesagt, und ich sage es dir jetzt wieder. Ich schlage keine Frauen.«
»Ich weiß, dass du du selbst bleiben willst und musst. Aber ich kann mich ebenfalls nicht ändern. Selbst wenn ich es könnte, wüsste ich nicht, wie, denn ich habe keine Ahnung, was du willst. Ich weiß, dass ich dir dankbar sein sollte.«
»Zur Hölle damit!«
»Ich sollte dankbar sein«, wiederholte sie. »Und das bin ich auch. Aber in diesem letzten Jahr ist mir eines klar geworden: Ich will nie wieder für jemanden den Fußabtreter spielen. Selbst für dich nicht.«
»Glaubst du, dass ich das will?«
»Ich kann nicht wissen, was du willst, Gabriel, solange du es selbst nicht weißt.« Jetzt würde sie die Sache auch zu Ende bringen. »Hör endlich auf, mich als deine lebende gute Tat anzusehen. Sieh mich als Person, denn nur so wird diese Ehe funktionieren.«
»Du hast keine Ahnung, wie ich dich sehe.«
»Nein, vermutlich nicht.« Sie lächelte. »Vielleicht wäre dann alles leichter. Für uns beide.« Das Baby schrie, und sie schaute den Flur hinunter. »Irgendwie kommt er heute nicht zur Ruhe.«
»Ich hole ihn gleich. Er kann doch nicht schon wieder Hunger haben.« Wenn sie ehrlich sein konnte, konnte er es auch. Er legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie zurück. »Ein Missverständnis lässt sich leicht aufklären. Wenn ich bisher nicht mit dir geschlafen habe, dann nicht, weil ich es nicht wollte, sondern weil es dazu zu früh ist.«
»Zu früh?«
»Für dich.«
Sie begann den Kopf zu schütteln. Dann verstand sie. »Gabriel, Michael ist über vier Wochen alt.«
»Ich weiß, wie alt er ist. Ich war dabei.« Er hob die Hand, bevor sie etwas sagen konnte. »Verdammt, Laura, ich habe gesehen, was du durchmachen musstest. Was immer ich für dich empfinde, ich kann erst danach handeln, wenn ich sicher bin, dass du dich völlig erholt hast.«
»Ich habe ein Baby bekommen, keine tödliche Krankheit.« Sie atmete
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