Zauber einer Winternacht
Angebote dafür bekommen.«
»Ich habe das Bild schon gesehen, Marion.«
»Ja, aber ich bezweifle, dass Sie es verstehen. Er hat es ›Engel‹ genannt. Das müsste Ihnen doch etwas sagen.«
»Gabriels Engel«, murmelte Laura. Die Wärme breitete sich in ihr aus, als sie einen Schritt darauf zumachte. »Was müsste es mir denn sagen?«
»Dass er sich, wie Pygmalion in der griechischen Sage, als Künstler etwas in sein Modell verliebt hat. Damit ist hin und wieder zu rechnen, manchmal wird es sogar gefördert, weil es zu Meisterwerken wie diesem inspiriert.« Sie pochte mit dem Finger gegen den Rahmen. »Aber Gabriel ist ein viel zu praktischer Mann, um eine solche Fantasie lange auszuspinnen. Das Porträt ist fertig, Laura. Er braucht Sie nicht mehr.«
Laura drehte den Kopf, um Marion direkt ansehen zu können. Was die Galeristin gerade gesagt hatte, war ihr selbst unzählige Male in den Sinn gekommen. Sie erklärte Marion, was sie auch sich selbst bereits erklärt hatte. »Dann wird er es mir sagen müssen.«
»Er ist ein ehrenwerter Mann. Auch das gehört zu seinem Charme. Aber wenn ihm klar wird, dass er einen Fehler gemacht hat, versucht er natürlich, den Schaden möglichst gering zu halten. Ein Mann glaubt nur an ein Image«, sagte sie, auf das Porträt zeigend, »solange dieses Image unbeschmutzt ist. Nach dem, was Lorraine mir erzählt hat, bleibt Ihnen nicht mehr viel Zeit.«
Einmal mehr wehrte sie den Wunsch ab, einfach davonzulaufen. Eigenartigerweise fiel ihr das viel leichter als zuvor. »Wenn Sie davon so überzeugt sind, warum geben Sie sich dann so große Mühe, mich loszuwerden?«
»Es kostet mich keine große Mühe.« Marion lächelte erneut und nahm die Hand vom Bild. »Ich betrachte es als Teil meines Berufs, dafür zu sorgen, dass Gabriel sich auf seine Karriere konzentriert und Auseinandersetzungen aus dem Wege geht, die ihn bloß ablenken würden. Wie ich bereits erklärt habe, ist die Beziehung mit Ihnen unakzeptabel. Das wird er bald selbst einsehen.«
Kein Wunder, dass sie Lorraine angerufen hat, dachte Laura. Die beiden sind vom gleichen Schlag.
»Sie vergessen etwas, Marion. Michael. Was immer Gabriel für mich empfindet oder nicht empfindet, er liebt Michael.«
»Eine Frau, die ein Kind als Waffe einsetzt, ist schon sehr bedauernswert.«
»Da haben Sie recht.« Laura wich Marions arrogantem Blick nicht aus. »Sie haben sogar sehr recht.« Als sie sah, dass sie mit dieser Antwort einen Nerv getroffen hatte, fuhr sie ruhig fort: »Ich werde hier auf Gabriel warten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es ihm sagen würden, sobald er zurückkommt.«
»Damit Sie sich hinter seinem Rücken verstecken können?«
»Ich glaube nicht, dass Lauras Gründe, mich zu sehen, dich etwas angehen.«
Gabriel stand im Durchgang. Beide Frauen drehten sich zu ihm um. Auf Marions Gesicht sah er Wut, auf Lauras Verzweiflung. Vor seinen Augen gewannen sie ihre Fassung wieder. Jede auf ihre Art. Marion zog eine Braue hoch und lächelte. Laura faltete die Hände und hob das Kinn.
»Darling. Du weißt, es gehört zu meinem Beruf, die Künstler vor übernervösen Ehepartnern und Liebhabern zu schützen.« Sie ging zu ihm hinüber und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wir sind in ein paar Minuten mit den Bridgetons verabredet, wegen der drei Bilder. Ich will nicht, dass du abgelenkt oder rastlos bist.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, war flüchtig, aber Marion entnahm ihm, dass er zu viel gehört hatte. »Um meine Stimmungen kümmere ich mich schon selbst. Und jetzt entschuldige uns bitte.«
»Die Bridgetons …«
»Sollen Bilder kaufen oder zur Hölle gehen. Lass uns allein, Marion.«
Sie warf Laura einen hinterhältigen Blick zu und verließ den Raum. Ihre Absätze klapperten auf den Fliesen. »Tut mir leid«, sagte Laura nach einem tiefen Atemzug, »ich bin nicht gekommen, um für Aufregung zu sorgen.«
»Warum dann? So wie du aussiehst, bist du gewiss nicht hier, um den Nachmittag mit Kunstbetrachtung zu verbringen.« Bevor sie antworten konnte, stand er schon vor ihr. »Verdammt, Laura, es gefällt mir nicht, wenn ihr beide über mich streitet, als wäre ich ein Objekt bei einer Versteigerung. Marion ist eine Geschäftspartnerin, du bist meine Frau. Damit werdet ihr euch beide abfinden müssen.«
»Das verstehe ich völlig.« Ihr Tonfall war härter geworden, hatte sich seinem angepasst. »Und du solltest verstehen, dass ich dich längst verlassen hätte, wenn ich glauben würde, dass ihr zwei
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