Zauber-Schloss
Zentaur beschleunigte sein Tempo, und die Luft heulte ihnen um die Ohren. Dor hielt die Flöte versuchsweise in den Wind – tatsächlich, dann spielte sie auch. Das verschaffte ihm etwas mehr Puste. Die Kobolde, Elfe und Zwerge fielen zurück, doch die Trolle konnten das Tempo halten. Cedric galoppierte noch schneller, und nun wurden sogar die Vampire abgehängt.
Doch Dor spielte unentwegt weiter, und die Wesen folgten ihm auch. Es blieb ihnen nichts anderes übrig.
Schon bald befanden sie sich am Rande der Spalte und mußten warten, bis die Boden- und Lufttruppen sie einholten.
»So, jetzt will ich sie direkt an den Rand locken und den Vergessenszauber auslösen«, sagte Dor und ließ die Flöte einen Augenblick sinken. »Wenn wir Glück haben, werden die Harpyien über die Spalte fliegen und sich verirren, dann können die Kobolde sie nicht mehr verfolgen und also auch nicht gegen sie kämpfen.«
»Lobenswertes Mitgefühl«, schnatterte Hüpfer. »Aber damit möglichst viele hier zusammenkommen und der Zauber optimal wirken kann, mußt du die Flöte noch eine Weile spielen. Wie sollen wir eigentlich entkommen?«
»Oh! Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht! Wir stecken in der eigenen Falle!«
»Ich glaube, ich habe die Lösung. Wenn wir ballonfahren und über die –«
»Nein!« schrie Dor. »Es gibt tausend schrecklich Dinge, die dabei schiefgehen könnten. Beim letzten Mal –«
»Dann kann ich uns statt dessen über den Rand hinablassen, so daß die Kobolde uns nicht verfolgen können«, sagte Hüpfer. »Vor den Harpyien können wir uns mit dem Reif schützen.«
Die Vorstellung, in die Spalte hinabzusteigen, gefiel Dor zwar auch nicht, doch inzwischen strömten die Harpyien, die Kobolde und die anderen Wesen herbei und suchten nach der fehlenden Flötenmusik. Er mußte sich schnell entscheiden. »Also gut, Cedric. Du galoppierst davon. Du bist zu schwer für Spinnenseide.«
»Will ich meinen!« rief Cedric. »Aber wo soll ich hin? Ich glaube kaum, daß ich es bis zum Schloß schaffe. Da müßte ich gegen die ganze Flut der Millionen von Monstern ankämpfen.«
»Geh zu Celeste«, schlug Dor ihm vor. »Du hast deinen Auftrag hier ehrenvoll erfüllt, und sie wird sich freuen, dich wiederzusehen.«
»Zuerst muß ich aber einen Hexer finden!« wieherte Cedric. Dann galoppierte er in westlicher Richtung davon.
Hüpfer befestigte die Zugleine wieder an Dor und krabbelte über die Klippenkante. Dor setzte die Flöte erneut an die Lippen, weil die Kobolde schon begannen, das Interesse zu verlieren. Die Musik ließ sie sofort wieder herbeistürzen. Sie drängten sich so sehr gegeneinander, daß sie kaum noch vorwärts kamen. Doch sie schoben so heftig voran, daß die Blockade kaum von Dauer sein dürfte. Doch Dor spielte immer weiter und wartete auf Hüpfers Signal.
Schließlich wurde er nervös. »Fertig?« rief er – und da brach die Koboldblockade auch schon zusammen, und Dor griff nach seinem Schwert, obwohl er genau wußte, daß er gegen diese Massen keinerlei Chancen hatte.
Aber was war denn nur mit ihm los? Er mußte doch den magischen Reif benutzen, den Cedric zurückgelassen hatte. Er hob ihn auf und hielt ihn vor sich. Der erste Kobold sprang ihn an, und Dor hätte beinahe vor Schreck den Reif fallen lassen – doch da verschwand der Gegner auch schon.
»Fertig!« schnatterte Hüpfer von unten. Das war gerade noch rechtzeitig, denn nun stürzten sich gleich drei Kobolde auf einmal auf Dor, und er war sich nicht sicher, daß er die alle genau durch seinen Reif springen lassen konnte. »Spring!«
Dor vertraute seinem Freund und sprang rückwärts von der Klippe. Er segelte in den Abgrund hinab und entkam auf diese Weise den gierigen Händen der heranstürmenden Kobolde. Er schwang gleichzeitig hinab und zur Seite, denn Hüpfer hatte mit einer Seitenleine dafür gesorgt, daß er nicht sofort an der Wand zerschellte. Die Spinne dachte immer an alles, was schiefgehen konnte, bevor sie handelte, und vermied es im vorhinein. Daher besaß Murphys Fluch auch kaum Macht über sie. Deshalb hatte Hüpfer sich auch gerade so viel Zeit gelassen, obwohl er genau gewußt hatte, in welch verzweifelter Lage Dor war. Er war sichergegangen, daß Dor nicht durch seinen Fehler Unheil zustieß.
Natürlich, das war es ja auch! Die Antwort auf den Fluch hieß Reife. Nur ein achtloser oder gedankenloser Mensch konnte dem Fluch ins Messer laufen, indem er ihm nämlich hinreichende Angriffsmöglichkeiten anbot.
Nun
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