Zauber-Schloss
Körper und mit Irene gemacht hat?«
»Mit wem?« Dor war geistesabwesend; denn er grübelte gerade über sein bevorstehendes Gespräch mit der Gehirnkoralle. Was mochte die ihm wohl nach achthundert Jahren für einen Gefallen abverlangen?
»Prinzessin Irene, die Königstochter. Erinnerst du dich noch an die?«
»Na ja, in gewisser Hinsicht liegt ja alles schon acht Jahrhunderte zurück…« Da zuckte Dor zusammen. »Was hat mein Körper mit Prinzessin Irene getan?«
»Koralle war reichlich neugierig, wollte den Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Anatomie kennenlernen. Koralle ist irgendwie asexuell oder bisexuell oder so, mußt du wissen, und da –«
»Genug! Ist dir klar, daß ich gerade zu ihrem Vater will?«
»Was glaubst du wohl, weshalb ich es erwähne? Ich hab’ zwar versucht, dich zu decken, aber König Trent ist ziemlich schlau, und Irene ist eine Petztante. Also bin ich nicht sicher, ob –«
»Wann habe ich… ich meine, mein Körper –?«
»Gestern.«
»Dann habe ich vielleicht noch eine Frist. Manchmal spricht sie tagelang nicht mit ihrem Vater.«
»In einem solchen Fall könnte sie gut mal eine Ausnahme machen.«
»Ja, das stimmt!« meinte Dor besorgt.
»Ach, herrje, was soll’s? Der König weiß doch, daß sie ein Luder ist.«
»Ich dachte mehr an meinen eigenen Ruf.« In der Welt des Wandteppichs hatte man Dor den Respekt eines reifen Mannes erwiesen, und dieses Gefühl war ihm nun durchaus wichtig. Doch es war noch mehr als das. Auch andere Leute hatten Gefühle. Er dachte daran, wie Vadne aufgeblüht war, als der Zombiemeister ihr ein Kompliment über ihr Talent gemacht hatte – und wie Murphys Fluch dies zu ihrem Untergang umfunktioniert hatte. Und zu seinem eigenen. Und zu Millies. Gefühle waren wichtig – selbst die von Ludern und Gören.
Dor sprach mit dem Fußboden. »Wo ist Irene?«
»War schon tagelang nicht mehr hier.«
Er trat in den Gang und stellte weiterhin Fragen, bis er sie schließlich ausfindig gemacht hatte – in ihren eigenen Räumen im Schloß. »Hau du ab«, sagte er zu Grundy. »Das hier muß ich allein erledigen.«
»Och!« maulte der Golem. »Deine Raufereien mit Irene machen immer soooo viel Spaß!« Doch er machte sich gehorsam aus dem Staub. Dor atmete tief durch und klopfte höflich an die Tür. Sie öffnete schnell.
Irene war erst elf Jahre alt, doch mit seiner neugewonnenen Sehweise bemerkte er, daß sie ein äußerst hübsches Kind war, das schon bald zu einer schönen jungen Frau erblühen würde. Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig, und wenn sie auch noch keine weiblichen Formen entwickelt hatte, wies sie doch alle Anzeichen auf, die eine höchst betörende Verschönerung versprachen. Wenn man ihr noch zwei, drei Jahre Zeit ließ, konnte sie Millie der Maid durchaus Konkurrenz machen. Mit einer anderen Art von Talent, natürlich.
»Nun?« fragte sie in etwas nervösem Tonfall.
»Darf ich eintreten?«
»So wie gestern? Willst du wieder Vater und Mutter spielen?«
»Nein.« Dor trat ein und schloß leise die Tür hinter sich, während sie zurückwich. Wie sollte er nun vorgehen? Es war offensichtlich, daß sie ziemlich aufgebracht war und ihm mit Vorsicht begegnete, ohne ihn direkt zu fürchten. Sie hatte ihr ganzes Zimmer mit Topfpflanzen geschmückt, und es war auch ein Miniaturgreifer darunter, so daß sie niemanden zu fürchten brauchte. Ihrem Vater hatte sie noch nichts erzählt: Dor hatte bei der Suche nach ihr erfahren, daß sie am vorigen Tag nicht einmal in die Nähe der Bibliothek gegangen war.
Irene war eine Palastgöre, deren Talent durchaus nicht das Format eines Magiers hatte. Nie würde jemand sie Zauberin nennen. Sie besaß eine spitze Zunge und widerwärtige Angewohnheiten. Und doch war sie eine Persönlichkeit, dachte Dor. Er hatte immer etwas auf sie herabgesehen, weil ihr Talent so tief unter dem seinen stand – aber das galt auch für Millies Talent. Die Magie war sicherlich wichtig und in manchen Situationen sogar lebensnotwendig, doch andererseits machte sie auch oft keinerlei Unterschied. Das hatte der Zombiemeister auch erkannt.
Nun schämte sich Dor – nicht für das, was sein Körper gestern getan haben mochte, sondern für sein Verhalten vor einem Monat, ja vor einem Jahr. Er hatte auf den Gefühlen eines anderen Menschen herumgetrampelt. Es machte keinen Unterschied, daß er es nicht in böser Absicht getan hatte; als Vollblutmagier und Thronfolger Xanths hätte er die natürliche Abneigung
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