Zauber-Schloss
und Frustration jener erkennen müssen, denen es an seinen Möglichkeiten gebrach. Wie zum Beispiel der Neid Irenes, der Tochter zweier der drei Haupttalente der älteren Generation, die als ein Nichts galt, weil sie nur über gewöhnliche Magie verfügte. Und weil sie weiblichen Geschlechts war. Wie hätte er sich an ihrer Stelle wohl gefühlt? Wie hatte sich sein Vater Bink gefühlt, als er noch ein Kind ohne jedes erkennbare magische Talent gewesen war?
»Irene… ich… ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen.« Er erinnerte sich daran, wie unverkrampft sich König Roogna beim Zombiemeister entschuldigt hatte, obwohl es nur indirekt seine Schuld gewesen war. Adel befreite keineswegs von Demut! »Ich hatte kein Recht, zu tun, was ich getan habe, und es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Sie musterte ihn fragend. »Sprichst du von gestern?«
»Ich spreche über mein ganzes Leben!« brach es aus ihm heraus. »Ich… ich besitze starke Magie, gewiß. Aber ich wurde damit geboren, es ist ein Zufall des Schicksals, nicht mein persönliches Verdienst. Du besitzt selbst Magie, gute Magie, die besser ist als der Durchschnitt. Ich bringe tote Dinge zum Sprechen, du bringst lebende Dinge zum Wachsen. Es gibt Situationen, in denen ist dein Talent viel nützlicher als meins. Ich… habe auf dich herabgeblickt, und das war falsch. Ich kann es dir nicht übelnehmen, daß du so ablehnend reagiert hast, ich hätte das gleiche getan. Du bist eine Persönlichkeit, Irene. Ein Kind, genau wie ich, ja, aber doch ein Mensch, dem Respekt gebührt. Gestern –« Er zögerte, denn er wußte nicht genau, was die Koralle getan hatte. Er hätte Grundy nach Einzelheiten fragen müssen. Er spreizte die Hände. »Es tut mir leid, und ich entschuldige mich und –«
Sie hob einen Finger – das war eine ihrer Angewohnheiten – und brachte ihn zum Schweigen. »Du nimmst zurück, was gestern gewesen ist?«
Dor mußte an sein eigenes Gestern denken, wie er die Kobolde und die Harpyien mit seiner magischen Flöte fortgelockt hatte, wie er sich auf Spinnenseide durch die Spalte gehangelt und den Vergessenszauber zur Explosion gebracht hatte, der die Schlucht noch immer überzog. Das Heranschleppen von Leichnamen ins Labor, damit aus ihnen Zombies hergestellt werden konnten – einmalige Abenteuer, die nun auf alle Zeiten der Vergangenheit angehörten. Gestern – das lag achthundert Jahre zurück. »Ich kann das Gestern nicht zurücknehmen, es ist Teil meines Lebens geworden. Aber –«
»Hör mal, glaubst du etwa, ich wäre ein naives Dummchen, das nicht weiß, was Sache ist?«
»Nein, Irene, ich war naiv. Ich –«
»Willst du etwa behaupten, daß du nicht wußtest, was du da tatest?«
Dor seufzte. Wie wahr! »Ich kann keine wirklichen Entschuldigungen vorbringen. Ich werde meine bittere Medizin schlucken. Du hast ein Recht darauf, wütend zu sein. Wenn du deinem Vater davon erzählen willst –«
»Zum Teufel mit meinem Vater!« fauchte sie. »Um das hier kümmere ich mich schon alleine! Ich werde dir genau das zurückgeben, was du mir gegeben hast!«
Dor war alles andere als beruhigt. »Wie du willst. Es ist dein gutes Recht.«
»Mach die Augen zu und rühr dich nicht!«
Sie würde ihm eine runterhauen, das wußte Dor. Aber es sah so aus, als wäre er jetzt tatsächlich an der Reihe, die Früchte seiner Untaten zu ernten. Er hatte der Gehirnkoralle gestattet, seinen Körper zu benutzen, also war er auch verantwortlich. Er schloß die Augen und bewegte sich nicht, zwang sich dazu, seine Arme hilflos herabhängen zu lassen. Vielleicht war das ja wirklich die beste Methode, die Sache zu klären.
Er hörte, wie sie näher kam, konnte die Bewegung ihres Körpers beinahe spüren. Sie hob gerade die Hand. Er hoffte, daß sie ihn nicht unter die Gürtellinie schlagen würde. Besser auf die Brust oder ins Gesicht, obwohl man dann hinterher Spuren würde sehen können.
Auf dem Mund. Aber seltsam weich. Eigentlich –
Sie küßte ihn ja!
Völlig verblüfft merkte Dor, wie er die Arme um sie legte, teils des Gleichgewichts wegen, zum größten Teil aber deswegen, weil es das war, was man wohl tun mußte, wenn man von einem Mädchen geküßt wurde. Er spürte, wie ihr Körper nachgab, wie ihr Haar ihm über die Hände strich. Sie duftete und schmeckte und fühlte sich angenehm an.
Dann wich sie, noch in seiner Umarmung, etwas zurück und blickte ihn an. »Was hältst du davon?« fragte sie.
»Wenn das eine Strafe gewesen
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