Zauber-Schloss
hättest doch glatt zum Zirkus gehen können! Aber du hast dein Glück immer zu sehr herausgefordert. Was tust du hier, Mike? Als ich dich das letzte Mal sah, wurden wir von Koboldbanden auseinandergetrieben. Wir mußten uns bis zur Küste durchschlagen, dachten, du würdest dich uns wieder anschließen – und jetzt bist du hier! Hast du dein Gedächtnis verloren oder so was?«
Da hatte Dor schließlich Erfolg, und der Mundanier stürzte verblüfft von der Mauer. Sofort rammte Dor dem dritten Mann sein Stemmeisen in den Bauch, bevor der sich decken konnte, und auch dieser Gegner fiel in den Graben hinab. Dann gab er der Leiter mit dem Stemmeisen einen solch gewaltigen Ruck, daß ein ganzes Mauerstück abbrach und die Leiter ihren Halt verlor. Schreiend stürzten die Männer in die Tiefe. Das war erledigt.
Siegreich und doch wegen des Tötens deprimiert, blickte er hinunter. Der Mundanier hatte ihn oder vielmehr seinen Körper erkannt und ihn Mike genannt. Was war nur mit dem richtigen Mike geschehen, dessen Körper er jetzt bewohnte?
Darauf wußte Dor keine Antwort. Er vermutete, daß der richtige Mike wieder zurückkehren würde, wenn Dor den Körper verließ. Was ihn wesentlich mehr bekümmerte, war die Tatsache, daß er das Wiedererkennen durch den Mundanier ausgenutzt hatte, um den Mann von der Mauer zu stürzen. Der Mundanier hatte gezögert, wollte keinen Freund töten – und hatte für diesen verständlichen Anstand mit seiner Stellung und vielleicht sogar mit seinem Leben bezahlt. Wie wäre Dor sich wohl vorgekommen, wenn er Hüpfer begegnet wäre und dieser ihn niedergestreckt hätte? Das war wirklich grausam gewesen!
Immerhin hatte er die Stellung gehalten. Er hoffte, daß die anderen ebenso erfolgreich geblieben waren. Er wagte es nicht, sich selbst davon zu überzeugen, denn dies hier war sein Verteidigungsabschnitt, und sobald er seinen Posten verließ, konnte ein weiterer Leitertrupp den Aufstieg riskieren.
Krieg war gar nicht schön. Sollte Dor jemals König werden, würde er dafür Sorge tragen, daß man Probleme, wenn irgend möglich, auf andere Weise löste. Niemand würde ihn jemals davon überzeugen können, daß es so etwas wie Schlachtenruhm gab. Langsam ging die Sonne unter. Die Mundanier krabbelten aus dem Schloßgraben und zerrten ihre Verwundeten und Toten davon. Ihre Leitern nahmen sie auch mit, auch wenn es nur noch zerbrochene, traurige Gestelle waren.
Schließlich kam Millie zu ihm. »Du kannst jetzt runterkommen, Dor«, sagte sie zögernd. »Die Zombiekäfer sagen, daß die Mundanier viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich um ihre Verwundeten zu kümmern, um heute noch einen weiteren Angriff zu unternehmen. Und bei Nacht werden sie das nicht wagen, weil sie das hier für ein Spukschloß halten und sich außerdem vorm Dunkel fürchten.«
Erleichtert folgte Dor ihr die Wendeltreppe hinunter in den Saal. Er bemerkte das angenehme Schaukeln ihrer Hüften, wie sie so vor ihm ging. In letzter Zeit bemerkte er immer häufiger solche Dinge. Sie organisierten ein System von Nachtwachen. Die anderen Seiten des Schlosses waren nicht angegriffen worden. Dor hatte alles allein bewältigt. »Wir wären dir ja gerne zu Hilfe geeilt«, schnatterte Hüpfer, »aber wir mußten befürchten, daß der Angriff eine Finte war.«
»Ganz genau«, meinte Dor. »Ich wäre euch auch nicht zu Hilfe gekommen.«
»Wenn wir keine Disziplin haben, haben wir gar nichts«, bemerkte der Zombiemeister. »Wir sind ohnehin in der Minderzahl.«
»Aber heute nacht mußt du dich ausruhen«, sagte Millie zu Dor. »Du hast es dir wirklich verdient.«
Dor widersprach nicht. Erstens war er wirklich müde, und dann diese Sache mit dem Mundanier, der ihn wiedererkannt hatte…
Hüpfer übernahm die erste Wache und kletterte innen und außen über Decken und Mauern. Der Zombiemeister zog sich zurück, um etwas zu schlafen, bevor er die Spinne ablösen wollte. So blieb nur Millie übrig – die darauf bestand, Dor Gesellschaft zu leisten, während er aß und sich ausruhte.
»Du hast wirklich tapfer gekämpft, Dor«, sagte sie und drängte ihm eine Suppennuß auf.
»Mir ist schlecht.« Als er merkte, daß sie etwas verletzt war, erklärte er das genauer. »Nicht von deinem Essen, Millie. Von dem ganzen Töten. Menschen mit einer Waffe niederzustrecken. Sie in den Graben zu schmeißen. Einer von ihnen hat mich wiedererkannt. Den habe ich auch in die Tiefe gestürzt.«
»Er hat dich wiedererkannt?«
Wie sollte er das
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