Zauber-Suche
Bink traute seinen Ohren nicht.
»Schwer zu erkennen in diesem matten Licht, aber das ist er, ohne jeden Zweifel. Das muß ein Stück von dem magischen Spiegel sein, das an Land gespült wurde. Was ist mit dem Guten Magier passiert?«
»Ich habe die Flasche verloren!« rief Bink bestürzt. »Sie war in meiner Tasche –« Er klatschte mit der Hand gegen seine Haut an der Stelle, wo sich seine Tasche befunden hatte.
»Er hatte den Spiegel mit. Wie ist denn auch nur eine einzige Scherbe aus der Flasche gelangt, wenn nicht –«
»Wenn die Flasche nicht zerbrochen ist«, beendete Bink den Satz. »In diesem Fall –«
»In diesem Fall sind sie befreit worden. Aber wo – und in welchem Zustand? Sie hatten doch keine Wasseratmungspillen.« Chester musterte die Scherbe noch eindringlicher. »Humfrey scheint wohlauf zu sein – und neben ihm kann ich den Greif erkennen. Ich glaube, die sind immer noch in ihrer Flasche.«
Bink blickte ebenfalls hinein. »Stimmt! Ich sehe die gebogene Wand und die Polstermöbel. Ein bißchen durchgeschüttelt, aber heil.« Er war erleichtert. »Und sie haben noch eine Scherbe!« Er hob die Hand und winkte. »Hallo, Leute!«
Stumm erwiderte Humfrey sein Winken. »Er sieht uns in seiner Scherbe!« rief Chester. »Aber das ist doch unmöglich! Der kaputte Spiegel ist doch hier draußen.«
»Mit Magie ist nichts unmöglich«, entgegnete Bink. Es war zwar eine Binsenwahrheit, aber im Augenblick litt er unter erheblichen Zweifeln.
»Schau dir nur mal das Durcheinander da drinnen an«, sagte Chester. »Die Flasche muß gegen eine Wand geprallt sein.«
»Ja, und da ist der Spiegel zerbrochen, und eine Scherbe ist ausgerechnet hier angespült worden«, sagte Bink zweifelnd. »Das ist aber ein merkwürdiger Zufall, selbst wenn wir die Möglichkeit einmal gelten lassen.«
»Was soll es denn sonst sein?« fragte Chester.
Dem hatte Bink nichts entgegenzusetzen. Sein Talent arbeitete nun einmal mit Zufällen. Wahrscheinlich hatte es auch hierbei seine Finger im Spiel gehabt. Aber wäre es nicht einfacher gewesen, die Flasche mit dem Magier hier anzuspülen anstelle einer Glasscherbe? »Wir können sie zwar sehen, aber nicht verstehen. Vielleicht sollten wir eine Botschaft schreiben –« Doch sie hatten nichts, womit sie hätten schreiben können.
»Wenn wir die Flasche finden, können wir sie auch daraus befreien«, warf Chester ein. Er schien sich erholt zu haben.
»Stimmt.« Bink hielt die Scherbe nahe an sein Gesicht und bildete mit den Lippen langsam die Worte: »Wo seid ihr?«
Humfrey breitete die Arme aus und zeigte auf die Flaschenwand. Dahinter war wirbelndes Wasser zu sehen, dessen Leuchten Linienmuster auf dem Glas hinterließ. Die Flasche befand sich irgendwo in einem Fluß und wurde von der Strömung davongetrieben – aber wohin?
»Ich fürchte, dieser Spiegel nützt uns nicht viel«, meinte Chester. »Crombie könnte uns zwar orten, aber er kann nicht zu uns. Wir könnten vielleicht an die Flasche heran, aber wir wissen nicht, wo sie ist.«
»Wir müssen den Flußlauf finden«, sagte Bink. »Er muß hier an diesem Strudelsee seinen Anfang haben und von dort abfließen. Aber wenn wir ihm folgen –«
»Dann verzögert sich unsere Suche nach der Quelle der Magie«, sagte Chester.
Bink zögerte. »Die Suche muß warten«, entschied er schließlich. »Wir müssen unsere Freunde retten.«
»Sieht so aus«, stimmte der Zentaur zu. »Sogar diesen arroganten Greif.«
»Magst du Crombie eigentlich wirklich nicht?«
»Na ja … Er ist eben ein Raufbold, genau wie ich. Das kann ich ihm wohl schwerlich verübeln. Aber ich würde ihm gerne mal auf den Zahn fühlen, wie stark er wirklich ist. Nur so, für die Unterlagen.«
Männlicher Konkurrenzkampf. Na ja, das konnte Bink ganz gut verstehen, weil er selbst manchmal so dachte.
Aber jetzt gab es Wichtigeres zu tun. »Ich habe Durst«, sagte Bink und schritt ans Ufer.
»Ist dir schon aufgefallen«, bemerkte Chester, »daß in diesem See keinerlei Leben herrscht? Weder Fische noch Ungeheuer, Pflanzen oder Strandwesen …«
»Kein Leben …« wiederholte Bink. »Aber wir sind doch gesund.«
»Wir haben ja auch noch nicht daraus getrunken. Oder wenn doch, dann das frische Strudelwasser ganz oben, nachdem wir die Pille geschluckt hatten.«
»Das stimmt«, meinte Bink beunruhigt.
»Ich frage mich, ob sich vielleicht der Korken von Humfreys Flasche gelöst hat. Als er dann das Wasser geprüft hat, hat er den Korken sofort wieder
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